Das Pariser Klimaabkommen gibt die Ziellinie vor: Die globale Erderwärmung soll auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden – so haben es die 195 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen am 12. Dezember 2015 nach zähen Verhandlungen einstimmig beschlossen. Die Weltgemeinschaft stemmt sich damit gegen die Risiken und Gefahren des menschengemachten Klimawandels. Zu erreichen ist das nur, wenn die Emissionen der Treibhausgase massiv zurückgefahren werden. Ein wichtiger Baustein dabei ist die Energiewende: Fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas sollen durch erneuerbare Energie aus Wind-, Wasser- oder Solarkraft und Biomasse ersetzt werden.
Wie wirkt ein CO2-Preis auf die Volkswirtschaft
„Wir müssen konkret und vor allem schnell handeln“, sagt Maik Heinemann, Professor für Wachstum, Integration und nachhaltige Entwicklung an der Universität Potsdam mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel. Wie der Weg ins postfossile Zeitalter genau aussehen kann, untersucht er mit zahlreichen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus insgesamt 26 Forschungseinrichtungen im Verbundprojekt „Ariadne“. Unter der Federführung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) wollen die Forschenden mit ihrer Arbeit gesellschaftlich tragfähige Strategien für die Energiewende finden. Die Arbeitspakete sind vielfältig: Es geht um Verkehr, Wärme, Stromnetze, Steuern, Wasserstoff oder Industrie. „Alle diese Aspekte unter einen Hut zu bekommen und eine gemeinsame Linie zu finden, ist manchmal gar nicht so einfach“, sagt Heinemann. In seinem Teilprojekt, das er gemeinsam mit dem Forscher Ulrich Eydam bearbeitet, analysiert er, wie Steuern und Staatsausgaben so gestaltet werden können, dass die Klimaziele erreicht und die Maßnahmen gleichzeitig möglichst von breiten Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft akzeptiert werden.
„Wir untersuchen die Verteilungswirkung klimapolitischer Maßnahmen und ihre Konsequenzen“, erklärt Ulrich Eydam. „Nehmen wir zum Beispiel die CO2-Bepreisung, die ja in diesem Jahr in Deutschland eingeführt wurde.“ Eydam analysiert mithilfe von Computermodellen verschiedene Szenarien dazu. Ihn interessiert etwa, welche Konsequenzen unterschiedlich hohe CO2-Preise auf die Volkswirtschaft insgesamt und auf jeden Einzelnen haben. Wie entwickeln sich Produktpreise oder Inflationsraten bei verschiedenen Varianten der CO2-Bepreisung und wie die unterschiedlichen Haushaltseinkommen? Sind vermögende Haushalte genauso stark belastet wie weniger finanzstarke? Und lassen sich mit einem CO2-Preis effektiv Maßnahmen zum Klimaschutz finanzieren?
Wissenschaftliche Erkenntnisse als Entscheidungshilfe für die Politik
„Unsere Modelle passen wir erst einmal so an, dass sie die makroökonomischen Eigenschaften der deutschen Volkswirtschaft widerspiegeln“, erklärt Ulrich Eydam sein Vorgehen. Mit diesem „Baukasten“ kann er dann unterschiedliche Szenarien der Steuerpolitik und CO2-Bepreisung durchspielen und die Auswirkungen miteinander vergleichen. „Wenn sich Steuern ändern, reagiert die Wirtschaft darauf. Es verändern sich dadurch Marktpreise, worauf beispielsweise die Haushalte mit ihren individuellen Nachfrageentscheidungen reagieren. Dies führt zum einen zu Rückkopplungseffekten auf die Preise. Zum anderen sind die individuellen Reaktionen auch nicht für alle Haushalte identisch, da sie von Einkommen und Vermögen abhängen. So sind beispielsweise ärmere Haushalte, bei denen ein größerer Anteil der laufenden Ausgaben für energiebezogene Güter aufgewendet wird, von einer CO2-Besteuerung oder CO2-Bepreisung stärker betroffen als reichere Haushalte“, beschreibt Maik Heinemann die Wechselwirkungen von politischen Maßnahmen und wirtschaftlichen Entwicklungen. „Man muss Modelle formulieren, die Rückkopplungen und Verteilungswirkungen gut abbilden können und die wesentlichen Zusammenhänge erfassen.“ Am Ende können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so einen Blick in die Zukunft wagen und vorhersagen, welche Politikinstrumente am besten geeignet wären, den Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen.
Die Ergebnisse der Potsdamer Forschenden sollen letztlich eine Entscheidungshilfe für die Politik sein, aber auch den Bürgerdialog zur Energiewende fördern. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Ariadne-Forschung werden fortlaufend breit veröffentlicht und in Bürgerforen diskutiert. „Wir können mit den Analysen aus unserem Arbeitspaket dazu beitragen, dass unerwünschte Nebenwirkungen von Maßnahmen vorher erkannt und verhindert werden“, sagt Ulrich Eydam. „Auf lange Sicht lässt sich so die Akzeptanz für die Maßnahmen stärken.“
„Die Energiewende erfordert horrende Investitionen“, betont Maik Heinemann. Netze und Infrastrukturen müssen ausgebaut und Unternehmen komplett umgestellt werden. Der Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft gleicht einem Weg durchs Labyrinth – für den die Forschenden Orientierungshilfe geben können. Denn nicht umsonst trägt das Verbundprojekt den Namen „Ariadne“: Die Leitidee für das Energiewende-Projekt stammt aus der griechischen Mythologie. Ariadne, die Tochter des griechischen Königs Minos, half König Theseus dabei, ein Ungeheuer mit menschlichem Körper und einem Stierkopf zu besiegen. Nur mithilfe des Ariadnefadens, den Theseus am Eingang der Höhle zum Minotaurus befestigte und auf seinem Weg durchs Labyrinth abspulte, verirrte er sich nicht und fand wieder zurück. Genauso sicher soll die Navigation durch das Labyrinth der Energiewende sein – mithilfe des roten Fadens aus der Wissenschaft.
Das Projekt
„Ariadne“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre mit insgesamt 30 Millionen Euro gefördert und ist Teil der Kopernikus- Forschungsinitiative. Als vierte Kopernikus-Säule ergänzt „Ariadne“ die Projekte ENSURE, P2X und Syn- Ergie. Zusammen bilden die Kopernikus-Projekte eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zum Thema Energiewende.
Laufzeit: 2020 – 2023
Beteiligt: 26 Forschungsinstitute unter Federführung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)
Die Forscher
Prof. Dr. Maik Heinemann studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover. Seit 2011 ist er Professor für Wachstum, Integration und nachhaltige Entwicklung an der Universität Potsdam.
E-Mail: maik.heinemannuuni-potsdampde
Ulrich Eydam studierte Volkswirtschaftslehre an der Viadrina Universität Frankfurt/Oder und der Universität Potsdam. Seit 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Wachstum, Integration und nachhaltige Entwicklung der Universität Potsdam.
E-Mail: ulrich.eydamuuni-potsdampde
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2021 „Aufbruch“ (PDF).