Auf dem Tisch, zwischen den beiden Geowissenschaftlern Maximilian Korges und Max Wilke, liegt eine Probe eines vererzten Gesteins – für den Laien nur ein großer Stein mit unterschiedlichen Farben, für die beiden Experten aber ein Zeuge von umwälzenden Prozessen in der Erdkruste. „Es ist ein Trümmererz, eine spezielle Form einer Gangvererzung, das fast 1.000 Jahre lang im Oberharz abgebaut wurde“, erklärt Max Wilke. „Die Grube dazu wurde 1992 geschlossen.“ Maximilian Korges erklärt, was ein Geologe in so einem Brocken erkennen kann: „Von unten kam eine Flüssigkeit, wahrscheinlich eine wässrige Lösung. Sie hat das Gestein gesprengt und die Hohlräume ausgefüllt.“ Die einstige Flüssigkeit ist auskristallisiert und umgibt die helleren Gesteinsbrocken nun als dunkelgraue Masse. Vor allem die Prozesse, die an den Grenzflächen von Flüssigkeit und Gestein oder Magma und Gestein sowie in Hohlräumen ablaufen, sind für die Bildung von Erzen entscheidend. Denn hier reagieren die einzelnen Komponenten miteinander, es entstehen neue Verbindungen und die typischen Erzkristalle.
Neue Impulse für die Lagerstättenkunde
Das Trümmererz ist beispielhalft dafür, wie Erze durch das Zusammenspiel von Druck, Hitze, Gestein und Flüssigkeiten in der Erdkruste geboren werden. Aber vieles von dem, was sich dabei abspielt, ist noch immer unbekannt. „Wir wissen, dass Metalle durch heiße Gesteinsschmelzen oder wässrige Flüssigkeiten gelöst , in die oberen Erdschichten transportiert werden und dort als Erz ausfallen“, erklärt Max Wilke. Bei welchen Drücken, Temperaturen und chemischen Bedingungen dies bei den verschiedenen Erzen geschieht, ist nur teilweise klar, wie lange diese Abläufe dauern – ob Stunden, Tage, Jahre oder Jahrtausende – ist sogar weitgehend unerforscht.
Gemeinsam mit etwa 70 Forschenden von 18 wissenschaftlichen Einrichtungen aus ganz Deutschland wollen Korges und Wilke nun Licht ins Dunkel bringen. Dafür koordinieren sie gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ), der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Uni Freiburg ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 26 Einzelprojekten. Mit Laborexperimenten und Computermodellen wollen die Forschenden aufklären, wie sich die Erzminerale bilden, wie sie zusammengesetzt sind und an welchen Stellen der Untergrund besonders gute Voraussetzungen für die Entstehung von Erzlagerstätten bietet. Die Erkenntnisse sollen auch der Lagerstättenforschung in Deutschland dienen.
Erze für die Energiewende
Lange wurde gerade dieses Forschungsfeld hierzulande etwas stiefmütterlich behandelt. „Erze und Metalle hat man in anderen Ländern gekauft, der Nachschub schien gesichert“, erzählt Max Wilke. In den letzten Jahren sei aber immer deutlicher geworden, dass bei einigen Metallen die Versorgung keineswegs so sicher ist, wie es lange schien, während gleichzeitig der Verbrauch zunimmt. Zumal viele dieser Rohstoffe für eine Transformation hin zu nachhaltigen und klimafreundlichen Wirtschaftsformen unentbehrlich sind. „Seit etwa zehn Jahren wird die Lagerstättenkunde wieder attraktiver, auch, weil sie durch moderne Methoden belebt wird“, sagt Wilke, der das Forschungsfeld gerade auch jungen Nachwuchswissenschaftlern näherbringen möchte. „Was unter zwei bis drei Kilometer dicken Sedimentschichten, zum Beispiel des norddeutschen Beckens, lagert, ist kaum bekannt“, beschreibt Maximilian Korges die Forschungslücken, die künftig geschlossen werden sollen.
Grundsätzlich sind alle Erzminerale für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Schwerpunktprogramms interessant. Es gibt aber einige, bei denen der Forschungsbedarf besonders groß ist. Dazu gehören etwa Erze, die das Element Molybdän enthalten. Das Übergangsmetall ist sehr hitzebeständig und damit für die Luft- und Raumfahrtindustrie interessant, kommt in zahlreichen elektronischen Bauteilen und auch in Dünnschichtsolarzellen vor. Auch Seltene Erden, zu denen insgesamt 17 Metalle zählen, sind Forschungsfelder mit Zukunftspotenzial. „Wir sprechen hier von sogenannten kritischen Metallen“, erklärt Maximilian Korges. „Für diese gibt es nur wenige Lieferanten. Der Bedarf an Seltenen Erden wird zum Beispiel zu 90 Prozent aus dem asiatischen Markt gedeckt.“ Die Versorgung der Industrie mit diesen Rohstoffen ist sehr störanfällig – dabei haben sie gleichzeitig enorme wirtschaftliche Bedeutung. Ohne sie würden Smartphones, Windräder und viele weitere Schlüsseltechnologien nicht funktionieren.
Um zu wissen, wo sich möglicherweise Erze bilden, muss etwa bekannt sein, wie gut sie sich in heißen Flüssigkeiten lösen können. „Das Wissen darüber ist aber sehr eingeschränkt und bisher höchstens für einen bestimmten Druck- und Temperaturbereich untersucht“, erklärt Max Wilke. Detailliertes Wissen über die Eigenschaften der Metalle in den Erzen ist notwendig, um damit die Computermodelle zu füttern, die schließlich Aussagen zu möglichen Lagerstätten liefern sollen.
Erzkristalle im Schnellkochtopf
An diese wichtigen Daten gelangen die Forschenden zum Beispiel mithilfe von Experimenten in Druckbehältern. Darin wird das Erz bei hohem Druck und hohen Temperaturen in einer Flüssigkeit „gekocht“. Mit Röntgenstrahlen messen die Forschenden, wieviel Erz sich in der Flüssigkeit löst. „Es ist wie mit einem Stück Würfelzucker“, vergleicht Max Wilke. „Irgendwann ist die Lösung gesättigt und der Zucker löst sich nicht weiter auf.“ So ist es auch mit dem Erz. Wie viel sich davon in einer wässrigen Flüssigkeit lösen kann, ist von der Temperatur, dem Druck und der Zusammensetzung der wässrigen Lösung abhängig. Wenn die genauen Zusammenhänge darüber bekannt sind, können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daraus rückschließen, unter welchen Bedingungen sich aus der Lösung wieder feste Erze bilden – so, wie es in natürlichen Erzsystemen in der Erde geschieht.
Laborexperimente, Computersimulationen und auch geologische Erkundungen durch Feldarbeit und Exkursionen – etwa ins Erzgebirge, nach Portugal, Griechenland und Kirgisistan – liefern schließlich ein Gesamtbild über die Eigenschaften der Erze und darüber, welche Stellen im Untergrund geeignete Bedingungen für potenzielle Lagerstätten bilden. Vielleicht finden die Forschenden auch neue Ansätze dafür, wie Erze aufbereitet und recycelt werden können. „Wenn ich weiß, wie das Erz entsteht, weiß ich auch, wie ich es auflösen und abbauen kann“, sagt Max Wilke. „Und das am besten mit umweltverträglicheren Methoden.“
Die Ergebnisse werden auch für die Wirtschaft interessant sein – denn mit ihnen wird eine gezieltere Suche nach Lagerstätten wertvoller Erze möglich. „Gerade in tieferen Schichten sind die Untersuchungen sehr teuer. Wenn man mehr von den Systemen versteht, kann man bestimmte Standorte von vornherein ausschließen, während andere interessant werden. Das spart natürlich Geld“, betont Max Wilke. Und es ebnet wohlmöglich den Weg zu neuen Erzvorkommen, die bisher noch unentdeckt sind.
Das Projekt
Im Schwerpunktprogramm „Dynamics of Ore Metals Enrichment“ (DOME) (SPP2238) fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 26 Forschungsprojekte zur Entstehung von Erzen. Mithilfe von empirischen Feldstudien, experimentellen Arbeiten und numerischen Modellen entwickeln die Forschenden neue Grundlagen für die Lagerstättenerkundung in tiefen Erdschichten.
Laufzeit: 2020–2026
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Beteiligt: Universität Potsdam, Universität Bayreuth, Universität Bremen, Leibniz Universität Hannover, Universität Mainz, GeoZentrum Nordbayern, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, TU Bergakademie Freiberg, GEOMAR Kiel, Goethe Universität Frankfurt (M), Universität Freiburg, RWTH Aachen, Universität Tübingen, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ, Universität Köln, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Karlsruher Institut für Technologie, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie
Koordinationskomitee: Prof. Dr. David Dolejš, Universität Freiburg; Prof. Dr. Sarah Gleeson, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ / FU Berlin; Prof. Dr. Carmen Sanchez-Valle, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Dr. Robert Trumbull, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ; PrivDoz. Dr. Philipp Weis, Deutsches GeoForschungs- Zentrum Potsdam GFZ / Universität Potsdam
Die Forscher
Dr. Maximilian Korges studierte Angewandte Geowissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2020 forscht er als Postdoc in der Arbeitsgruppe Mineralogie am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam.
E-Mail: korgesuuni-potsdampde
Prof. Dr. Max Wilke studierte Mineralogie an der Universität Hannover. Seit 2015 leitet er die Arbeitsgruppe Mineralogie am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam.
E-Mail: wilkemuuni-potsdampde
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2021 „Wandel“.