In seinem ehrgeizigen Forschungsprojekt "TIPTOP" möchte Philip Wigge molekulare Mechanismen zur Temperaturmessung in Pflanzen aufklären, um zu verstehen, wie sie auf ihre aktuellen Umweltbedingungen reagieren.
Zur Anpassung an sich ändernde Umgebungstemperaturen haben Pflanzen im Laufe der Evolution vielfältige Mechanismen entwickelt. Unter Anderem müssen Pflanzen Informationen zur Umgebungstemperatur schnell erfassen und ihren Stoffwechsel daran anpassen können, um zu überleben. Pflanzen verwenden Temperaturinformationen, um saisonale Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel wann sie blühen und wachsen sollen, oder reagieren auf kurzfristige Änderungen, um sich vor Kälte- und Hitzestress zu schützen. Für all diese Reaktionen müssen Pflanzen in der Lage sein, die aktuelle Temperatur zu erfassen.
Die Forschung an den Mechanismen, mit denen Pflanzen die Temperatur erfassen und ihr Verhalten anpassen, ist in Zeiten des raschen Klimawandels für die Landwirtschaft von besonderer Bedeutung. Pflanzen sind besonders anfällig für schnelle Temperaturänderungen. Zum Beispiel kam es in den letzten Wochen zum Verlust von mindestens einem Drittel der französischen Weinproduktion im Wert von 2 Milliarden Euro aufgrund von Kälteeinbrüchen. Hitzestress kann auch Ernteverluste verursachen, man geht von etwa 10 Prozent Ernteverlust für jeden weiteren Temperaturanstieg von 1 ºC aus. Da extreme Wetterereignisse aufgrund der Klimaerwärmung immer häufiger auftreten, ist es von größter Bedeutung, dass wir verstehen, wie Pflanzen Temperaturinformationen erfassen und verwenden, damit wir klimaresistente Pflanzen züchten können.
Im Projekt TIPTOP untersucht Philip Wigge, wie Pflanzen ein korrektes Temperatursignal ermitteln können, auch wenn das sie umgebende Makro- und Mikroklima kurzfristig starken Schwankungen unterliegt. Bisher unbekannt sind auch die Prozesse, wie die Temperatursignale, die in einzelnen Zellen ermittelt werden, über die gesamte Pflanze integriert werden, um dann eine koordinierte Reaktion durch Veränderung von Wachstums- und Entwicklungsvorgängen auszulösen. Das Projekt nutzt die jüngsten Erkenntnisse von Wigges Team, das erforscht, wie einzelne Proteine und RNA-Moleküle als Miniatur-Temperatursensoren fungieren, und nutzt synthetische Biologie, um temperaturempfindliche Schaltkreise in der Zelle neu zu konstruieren.
Philip Wigge leitet den Programmbereich „Funktionelle Pflanzenbiologie“ am IGZ und erforscht in seiner Arbeitsgruppe insbesondere die pflanzliche Temperatursensorik. Mit seiner Gruppe entziffert Philip Wigge die zugrundeliegenden Mechanismen der Temperaturwahrnehmung und nutzt dieses Wissen für die Züchtung klimaresistenter Nutzpflanzen für den Gartenbau.
ERC Advanced Grants
Die Förderlinie „ERC Advanced Grant“ ist ein Instrument des Europäischen Forschungsrats (ERC) der Europäischen Kommission und fördert etablierte Spitzenwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler mit einem herausragenden wissenschaftlichen Forschungsprofil, um neue visionäre, bahnbrechende und wissenschaftlich riskante Forschungsgebiete zu erschließen. Das Förderprogramm des ERC gehört zu den bedeutendsten und am härtesten umworbenen in Europa. Seit 2009 werden ERC Advanced Grants an alle Fachrichtungen vergeben. In der aktuellen Antragsrunde wurden europaweit 2678 Anträge eingereicht.
https://erc.europa.eu/news/erc-2020-advanced-grants-results
Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ)
Das IGZ ist ein Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft und trägt mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen aus der Grundlagen- und Anwendungsforschung zur Lösung aktueller globaler Herausforderungen wie Erhaltung der Biodiversität, Klimawandel, Urbanisierung und Fehlernährung bei. Das Institut wird gemeinschaftlich durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert.