Da war die Entdeckung des größten Baums der Welt nur eine Kleinigkeit – oder nicht? Ein Waldläufer hatte Proben zu Albert Kellogg gebracht, seit 1849 Arzt und Apotheker in San Francisco. Dessen größtes Interesse galt der Botanik, insbesondere den Bäumen. Er wollte den Riesen ursprünglich nach dem in seinen Augen bedeutendsten Amerikaner benennen: George Washington.
Allerdings war er auch mit vielen anderen „Kleinigkeiten“ beschäftigt, etwa der Gründung der kalifornischen Akademie der Wissenschaften. So hatte er kaum Zeit, sich Gedanken über John Lobb zu machen, dem er die Baumproben gezeigt hatte. Lobb kam von der berühmten englischen Gärtnerei Veitch & Sons und sammelte neue Arten für den Handel. Er holte selbst Samen, Jungpflanzen und Herbariumsbelege des Riesenbaums, die nach seiner Rückkehr der englische Botaniker John Lindley sah. Er erkannte sofort die überragende Bedeutung des Funds. Nach nur wenigen Wochen erschien in der Weihnachtsausgabe des „Gardener’s Chronicle“, den er selbst herausgab, eine Beschreibung unter dem Namen Wellingtonia gigantea. Der ein Jahr zuvor verstorbene Duke of Wellington, Besieger Napoleons in der Schlacht von Waterloo, stünde „ebenso hoch über seinen Zeitgenossen wie der kalifornische Baum über allen anderen Waldbewohnern.“ In der Folge entspann sich eine heftige, patriotische Debatte an dieser hastigen Namensgebung zwischen britischen und amerikanischen Baumfreunden; auch Albert Kellogg war nicht amüsiert und fühlte sich um „seinen“ Baum betrogen. Der aktuelle wissenschaftliche Name lautet Sequoiadendron giganteum. Geehrt wird damit der Indianer Sequoyah, der ein 86-gliedriges Alphabet für die Sprache der Cherokee entwickelte – auch das zweifellos eine überragende Leistung.
Fossilien belegen, dass der Echte Mammutbaum oder sein direkter Vorfahr vor 30 Millionen Jahren über weite Teile der Nordhalbkugel verbreitet war, Europa eingeschlossen. Erst vor sieben Millionen Jahren besiedelte die Art die Westhänge der Sierra Nevada, wo sie heute ausschließlich vorkommt. In Höhenlagen zwischen 1.400 und 2.150 Metern bildet der Baum dort „Haine“. Dank seiner bis zu 60 cm dicken Borke übersteht er Waldbrände, seine Samen profitieren sogar davon. Mit über 3.000 Jahren gehört er zu den ältesten und mit bis 95 Meter Höhe zu den höchsten Bäumen der Erde. Seine gigantischen, bis zu zehn Meter dicken Stämme machen ihn zum gewaltigsten Waldbaum der Welt.
Im Botanischen Garten der Universität Potsdam ist ein sechs Meter hohes Exemplar zu bewundern. Die beiden größten in Potsdam, um die 20 Meter hoch, befinden sich aber auf dem Gelände an der Ecke Pappelallee-Reiherweg, wo eine Schule und ein Justizzentrum gebaut werden sollen. Es ist zu hoffen, dass die beiden künftigen Riesen die Baumaßnahmen überstehen.
Der größte Baum der Welt – Der Kustos des Botanischen Gartens erzählt die Geschichte des Mammutbaums
In Kalifornien herrschte das Chaos. Das Goldfieber lockte ab 1848 mehrere Hunderte Weiße in ein Gebiet, in dem bislang rund 150.000 indianische Ureinwohner und einige weiße Siedler lebten. In der Folge brach eine Cholera-Epidemie aus, die rasant wachsende Stadt San Francisco brannte mehrmals lichterloh, und die junge Bürgerschaft wehrte sich gegen das grassierende, von einer korrupten Polizei noch begünstigte Verbrechertum mit brutaler Lynchjustiz. 1850 wurde Kalifornien der 31. Bundesstaat der USA.