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Brandenburgs Wälder im Wandel – Europäisches Forschungsnetzwerkprofitiert von regionalen Langzeitstudien

Dr. Thilo Heinken | Foto: Tobias Hopfgarten
Wald | Foto: Dr. Thilo Heinken
Wald | Foto: Dr. Thilo Heinken
Foto : Tobias Hopfgarten
Dr. Thilo Heinken
Foto : Dr. Thilo Heinken
Foto : Dr. Thilo Heinken
Der Wald – ein Ort der Erholung und Entspannung, besonders an heißen und trockenen Som-mertagen, wenn es unter dem schützenden Blätterdach der Bäume angenehm kühl bleibt. Auch die Pflanzen der Krautschicht, die nicht so hoch wachsen wie Sträucher oder Bäume, profitieren von diesem Schutz vor Temperaturextremen. Der Biologe Dr. Thilo Heinken vom Institut für Biochemie und Biologie hat sich mit dem Vegetationswandel in brandenburgischen Wäldern über die letzten fünf Jahrzehnte befasst. Eine Erkenntnis: Buchenwald kühlt stärker als Kiefernwald, was man bei einem Waldspaziergang deutlich spüren kann. Mehr Laubgehölze führen dazu, dass das Kronendach dichter ist und weniger Sonnenlicht bis zum Boden gelangt, der sich dadurch weniger stark erwärmt. Lichtet sich das Blätterdach, z.B. durch Forsteingriffe oder wenn nach Jahren mit sehr wenig Niederschlag vermehrt Bäume absterben, tritt der entgegengesetzte Fall ein: Der Boden kann sich stark erwärmen und trocknet dadurch schneller aus. Das ist vor allem in Kiefernwäldern der Fall, die in Brandenburg weit verbreitet sind.

In der Bodenvegetation hat man beobachtet, dass einige heute vorkommende Pflanzenarten an ein wärmeres Klima angepasst sind als noch vor 50 Jahren. „Viele Pflanzenarten, die kühle und oftmals feuchte Standorte bevorzugen, so wie die Heidelbeere oder die Preiselbeere, sind in den brandenburgischen Wäldern zurückgegangen“, sagt Thilo Heinken. „Dafür konnten sich Arten wie das Efeu, das empfindlich auf Winterfröste reagiert, ausbreiten.“ Für ihre Langzeitstudien sind der Wissenschaftler und seine Kolleginnen und Kollegen auf historische Daten aus früheren exakten Vegetationserfassungen angewiesen, die auf Probeflächen an unterschiedlichen Standorten in ganz Brandenburg gesammelt wurden. Auf jeder dieser Flächen von ca. 100 bis 400 Quadratmetern erfolgt eine Vegetationsaufnahme. Das bedeutet, die Biologen erfassen bei einer Begehung vor Ort alle Pflanzenarten und ihre Häufigkeit. Um langfristige Veränderungen feststellen zu können, wird dies nach Jahrzehnten wiederholt.

Aus den Baumarten und der Baumbedeckung auf den Probeflächen lässt sich schließen, wie sich das Klima von Wald und Umgebung unterscheidet. Thilo Heinken fasst zusammen: „Wir wollen nicht nur wissen, wie sich das Makroklima der Umgebung von damals zu heute verändert hat, sondern auch, wie sich im gleichen Zeitraum das Mikroklima im Wald geändert hat, denn beide unterscheiden sich oft voneinander.“ Dichte Baumbestände bieten einen gewissen Schutz, um das Mikroklima zu stabilisieren. „Dieser Schutz ist sehr wertvoll für die Bewahrung von Arten, denn viele Pflanzenvorkommen können mit einer Klimaänderung nicht schnell genug Schritt halten“, betont Heinken.

Um Fragen im Zusammenhang mit der Biologie und Ökologie von Waldpflanzen qualifiziert zu beantworten, sind die Wissenschaftler auf einen Austausch angewiesen. „Einige haben vor 15 Jahren festgestellt, dass sie zu ähnlichen Themen forschen und sich daraufhin zu einem Netzwerk zusammengeschlossen“, berichtet Thilo Heinken zur Entstehung von FLEUR, einem europäischen Netzwerk von Forschenden, die sich für die Dynamik von Waldpflanzenarten in einer sich verändernden Umwelt interessieren. Koordiniert wird das Netzwerk vom Forest & Nature Lab der Universität Gent in Belgien. Das Netzwerk betreibt die Datenbank forestREplot, ein Archiv mit Informationen von Probeflächen der Krautschicht in Wäldern, die über die gemäßigten Zonen der Erde verteilt sind. Auch die Daten zu den Wäldern Brandenburgs speist Thilo Heinken regelmäßig dort ein. „Ein großer Vorteil ist, dass sich daraus globale Trends ableiten lassen. Alle Beteiligten können direkt zu ihren Standorten Auskunft geben. Die finanzielle Unterstützung vom Wissenschaftlichen Forschungsfonds Flandern für das Netzwerk ist also sehr gut angelegtes Geld“, sagt Heinken.

Inzwischen sind die Daten von mehreren Hundert Probeflächen in ganz Brandenburg in die Auswertung eines internationalen Datensatzes eingeflossen. Daraus entstanden 2020 zwei weg- weisende wissenschaftliche Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften „Science“ und „Nature Ecology & Evolution“. Sie belegen zum einen, wie europaweit die Baumkronenbedeckung mit der verzögerten Antwort des Pflanzenvorkommens auf den Klimawandel zusammenhängt. Zum anderen zeigen sie, dass kleinräumig verbreitete Pflanzenarten, die an sehr spezielle Bedingungen angepasst sind, ein höheres Risiko haben auszusterben. Großräumig vorkommende Arten dagegen wachsen durch einen erhöhten Nährstoffeintrag in den Boden oft sogar noch besser und können sich somit weiter ausbreiten.

Unsere Wälder in Zukunft bestmöglich zu schützen ist eine Mammutaufgabe, stellt Thilo Heinken klar: „Das ist eine komplexe Frage der Bewirtschaftung der Wälder, die sich in den letzten 50 Jahren stark verändert hat.“ Und dabei spielt es eine große Rolle, wie dicht die Bestände sind und in Zukunft sein werden.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2020 „Digitalisierung“ (PDF).