Sie sind gemeinsame Autoren des Lehrbuchs „Einstieg in die Physikalische Chemie für Naturwissenschaftler“. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Bechmann: Die erste Auflage des Buchs, damals noch unter dem Titel „Einstieg in die Physikalische Chemie für Nebenfächler“, erschien 2001. An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der jungen Universität Potsdam gab es eine Reihe von Studiengängen außerhalb der Chemie, in denen auch ein Modul zu den Grundlagen der Physikalischen Chemie vorgesehen war. Ich hatte die Aufgabe übernommen, für die Studierenden der Biologie, der Biochemie, der Ernährungswissenschaft, der Geoökologie, der Geologie und aller Lehrämter mit dem Fach Chemie diese Module zu konzipieren und die zugehörigen Lehrveranstaltungen anzubieten. 2013 ging ich in den Altersruhestand und Ilko Bald, damals noch Juniorprofessor im Bereich der Physikalischen Chemie, übernahm diesen Teil meiner Lehrverpflichtungen.
Das Buch ist unlängst in der siebenten Auflage erschienen. Was macht es so erfolgreich? Warum sollten Studierende, die eine Einführung in die physikalische Chemie für Naturwissenschaftler suchen, genau zu diesem greifen?
Bechmann: Die Physikalische Chemie ist eine experimentelle Naturwissenschaft und ich verfolgte das Ziel, den Studierenden ein Buch in die Hand zu geben, das die Elemente Lehrbuch, Arbeitsbuch und Praktikumsbuch miteinander verbindet. Theoretisch abgeleitete Gesetzmäßigkeiten und deren experimentelle Überprüfung werden ergänzt durch die Anwendung der Gesetze bei der Lösung unterschiedlicher Fragestellungen. Lösungen und mögliche Lösungswege sind nachschlagbar. Bei der Darstellung des Lehrstoffs war es uns wichtig, die Einheit von Wissenschaftlichkeit und Fasslichkeit nicht aus dem Auge zu verlieren. Für die Nebenfächler galt es, das Interesse an der Physikalischen Chemie zu wecken, aber auch zu veranschaulichen, dass die Physikalische Chemie gleichsam Basiswissen, Methoden und Gesetzmäßigkeiten bereitstellt, die auch in anderen Naturwissenschaften unabdingbar sind. Wenn nun die siebente Auflage im Buchhandel vorliegt, ist das Beleg dafür, dass das Buch nicht nur an der Universität Potsdam genutzt wird. Es ist darüber hinaus in Potsdam und an einer Reihe weiterer Universitäten und Hochschulen auch als elektronische Version verfügbar. Offenbar ist unser Konzept aufgegangen.
Herr Bechmann, Sie sind Jahrgang 1948, Herr Bald, Sie im Jahr 1980 geboren. Da kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Sie unterschiedlich sozialisiert sind. Merken Sie das im Umgang miteinander – und wenn ja, wo und wie?
Bechmann: Eigentlich nicht. Zum Teil mag es am Arbeitsgegenstand liegen. Die Grundlagen der Physikalischen Chemie von vor 30 Jahren unterscheiden sich von denen von heute nicht wirklich. Auch die Beschäftigung mit den Grundlagen in verschiedenen Gesellschaftssystemen führt nicht zu unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Bei der Zusammenarbeit mit dem Kollegen Bald ist mir der Altersunterschied nie besonders aufgefallen. Wir sind sehr ähnliche Charaktere, eher introvertiert und auf die Freude bei der Beschäftigung mit der Physikalischen Chemie orientiert.
Bald: Da stimme ich voll und ganz zu. Bei der Erstellung des Lehrbuchs sind eher unterschiedliche fachliche Erfahrungen ausschlaggebend, die sich zum Beispiel auf die Auswahl von Anwendungsbeispielen auswirken.
Herr Bechmann, Sie haben schon an der Pädagogischen Hochschule Potsdam Lehre und Forschung betrieben. Haben sich beide im Laufe der Jahre gewandelt und wenn ja wie?
Bechmann: Meinen ersten Arbeitsvertag mit der PH habe ich 1987 unterschrieben. Vorher absolvierte ich ein Lehramtsstudium für die Fächer Chemie und Mathematik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Dem schlossen sich einige Jahre Lehrertätigkeit an. Das Studium und die Lehrertätigkeit haben mir später sehr geholfen, Lehrveranstaltungen auch an der PH, der Brandenburgischen Landeshochschule und Uni erfolgreich zu gestalten. Mit chemischer Forschung kam ich im Rahmen meiner A- und B-Aspirantur in Allgemeiner und Anorganischer Chemie an der PH in Berührung. Die einzelnen Fachbereiche hatten Forschungsverträge mit der chemischen Industrie, aus denen sich die Themenstellungen auch meiner Dissertation bzw. Habilitation ableiteten. Natürlich veränderten sich nach der Wende die Möglichkeiten wissenschaftlicher Forschung in Hinblick auf Geräteausstattung der Labore, schnellen und umfassenden Zugang zur Fachliteratur und internationale Kooperation. Am grundlegenden Herangehen an wissenschaftliche Untersuchungen hat sich damit aber kaum etwas geändert. Gründliches Literaturstudium, Planung und Ausführung wissenschaftlicher Experimente und permanente Überprüfung der Ergebnisse bestätigen oder verwerfen die aufgestellte Hypothese.
Herr Bald, wandeln sich Ihr Fachgebiet und die Lehre darin inzwischen schneller als vielleicht noch vor 20 bis 30 Jahren?
Bald: Die Forschung ist im Laufe der Zeit immer interdisziplinärer geworden und die Abgrenzung oder Einteilung der Forschungsgebiete wird immer unklarer. Dafür nehmen Kooperationen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachgebiete zu, was die Arbeit noch interessanter, aber auch herausfordernder macht. Gerade vor diesem Hintergrund ist eine solide Ausbildung in physikalischer Chemie entscheidend, da sie für verschiedene Fachgebiete essenziell ist. Deshalb haben wir bereits die sechste Auflage des Lehrbuches um ein Kapitel erweitert und den Titel leicht geändert, um klar zu machen, dass alle Naturwissenschaftler angesprochen sind.
Herr Bechmann, wie ist es mit Ilko Bald zusammenzuarbeiten? Ist er aus Ihrer Sicht womöglich ein junger Wilder?
Bechmann: Die Zusammenarbeit läuft aus meiner Sicht reibungslos. Bei uns gibt es weder einen jungen Wilden noch einen alten Bremser. Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass wir trotz des Altersunterschieds ähnlich sind und dass es uns beiden vordergründig darum geht, den Studierenden ein Buch in die Hand zu geben, das seinem Titel gerecht wird.
Herr Bald, charakterisieren Sie doch einmal die Zusammenarbeit mit Ihrem Kollegen Wolfgang Bechmann? Merkt man, dass er ein alter Hase ist?
Bald: Wolfgang Bechmann ist natürlich sehr routiniert, und es macht Spaß, mit ihm über die Darstellung bestimmter Inhalte zu diskutieren. Die Zusammenarbeit ist sehr angenehm und von gegenseitigem Respekt geprägt. Er hat ja die ersten Auflagen des Buches erstellt, und ich bin dann zur fünften Auflage dazugestoßen, habe Vorschläge für Umstrukturierungen und neue Inhalte gemacht, die Wolfgang eigentlich alle nach intensiven Diskussionen mitgetragen hat. Wir können unsere zwei Perspektiven gut ergänzen, um am Ende eine möglichst verständliche und korrekte wissenschaftliche Darstellung zu erhalten.
Wie konnten Sie sich in der Zusammenarbeit gegenseitig befruchten?
Bechmann: Ja, natürlich führte die Zusammenarbeit auch zu inhaltlichen Veränderungen am Buch. Wir erarbeiteten dazu Vorschläge, die diskutiert und optimiert wurden. Für die Auflagen eins bis vier konnte ich Dr. Jochen Schmidt als Coautor und Diskussionspartner für das Buch gewinnen. Herr Schmidt und ich arbeiteten beide im Wissenschaftsbereich Physikalische Chemie bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2000 zusammen. Als auch ich 2013 in den Altersruhestand ging, zog sich Jochen Schmidt aus dem gemeinsamen Buchprojekt zurück. Es gelang mir, an seiner Stelle Ilko Bald zu gewinnen, der damals gerade die Lehrveranstaltung von mir übernahm. Nach einem Jahr „Testlauf“ überzeugte mich Prof. Bald davon, die Struktur des Thermodynamikkapitels zu ändern. Ältere Fachtermini wurden in den Auflagen fünf bis sieben durch die aktuellen Bezeichnungen ersetzt. Mit der sechsten Auflage wurde das Buch auf Wunsch der Herausgeber um ein Spektroskopiekapitel erweitert. Das neue Kapitel wurde gemeinsam geplant und umgesetzt. Mit der sechsten Auflage haben wir auch den Titel verändert in „Einstieg in die Physikalische Chemie für Naturwissenschaftler“. Bei Beibehaltung der Hauptstruktur wurden in allen Hauptkapiteln einzelne Textpassagen ergänzt bzw. konkretisiert.
Insgesamt ist das Buch in den zurückliegenden 19 Jahren „erwachsener“, seinem Bestimmungszweck gemäß besser geworden. Hoffentlich gelingt es noch lange, diesen Prozess fortzuführen.
Vielen Dank!