Sie helfen uns, über weite Entfernungen zu kommunizieren, durch unbekanntes Gelände zu navigieren und das Wetter vorherzusagen. Hunderte Satelliten umkreisen die Erde, im Dienst der Wissenschaft, der Medien, der Wirtschaft oder auch des Militärs. Entsprechend groß ist das Interesse, ihre empfindliche Technik vor der von Sonnenstürmen freigesetzten Teilchenstrahlung zu schützen. Mithilfe der Datenassimilation könnte es künftig gelingen, solche negativen Auswirkungen des Weltraumwetters vorherzusagen.
Im Grunde sei es wie auf der Erde, sagt Yuri Shprits. Mit den Daten einer einzigen Messstation könne man nicht das gesamte Wetter beobachten. Dazu brauche es ein ganzes Netz von Stationen. „Für den Weltraum aber bekommen wir nur punktuell Informationen von einzelnen Satelliten“, so der Physiker. Um die komplexe Dynamik des Systems besser verstehen und Vorhersagen treffen zu können, müsste man weit mehr Satelliten in die Messungen einbeziehen und neue Methoden entwickeln, um die Daten zu nutzen.
Yuri Shprits ist Leiter der Sektion für Magnetosphärenphysik am Deutschen GeoForschungsZentrum und Professor am Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam. Mit der Erforschung der erdnahen Weltraumumgebung und der für die Luft- und Raumfahrt gefährlichen Weltraumstrahlung liefert er ein interessantes Anwendungsgebiet für die Datenassimilation, bei der die unvollständigen und ungenauen Satellitenbeobachtungen mit Informationen aus physikalischen Modellen kombiniert werden. Was in der Meteorologie, der Ozeanografie oder der Klimaforschung bereits zu aussagekräftigen und zuverlässigen Simulationen geführt hat, soll nun auch zum Verständnis des Wettergeschehens im Weltraum beitragen.
Yuri Shprits erklärt, wie es funktioniert: „Zuerst treffen wir mit unserem Modell eine Vorhersage und verbinden diese mit Beobachtungsdaten. Dann wird die Vorhersage – korrigiert durch die Beobachtungen – als Anfangsbedingung für eine neue Vorhersage genutzt, die wiederum mit neuen Daten kombiniert wird.“ Aus dem Vergleich der Modellvorhersagen mit den tatsächlichen Messungen lasse sich ableiten, welche physikalischen Prozesse im Modell noch fehlen, um es besser zu quantifizieren. Auf diese Weise könne das Verfahren der Datenassimilation die in der Magnetosphäre ablaufenden Prozesse nicht nur rekonstruieren, sondern tatsächlich genaue Hinweise auf die Physik dahinter geben, so der Wissenschaftler, der 2012 von Barack Obama mit dem Presidential Early Career Award for Scientists and Engineers ausgezeichnet wurde.
Um die Methode auf das konkrete Feld der Weltraumphysik anwenden zu können, kooperiert Shprits im Sonderforschungsbereich „Datenassimilation“ mit der Mathematikerin Jana de Wiljes von der Universität Potsdam. „Das Besondere ist, dass sie nicht nur versucht, Theorien zu beweisen und abstrakte Methoden zu entwickeln, sondern sie auf praktische Probleme zuzuschneiden“, betont Yuri Shprits. Obwohl sich theoretische Experimente als vielversprechend herausstellen können, müssen die entwickelten Methoden an wirklichen Daten und für reale Anwendungen getestet werden. Jedes Feld und jede Anwendung habe seine eigenen Spezifikationen. „Manchmal versuchen wir Dinge, die gut funktionieren, aber wir verstehen noch nicht, warum das so ist. Wenn wir das wüssten, könnten wir die Methoden optimieren, ihre Anwendbarkeit besser verstehen und sie gegebenenfalls auf viele andere Felder wie die Biologie, Erdbebenforschung, Navigation und Klimaforschung übertragen“, so Shprits.
Er und sein Team konzentrieren sich derzeit auf die Strahlungsgürtel und den Ringstrom der Erde: zwei donutförmige Regionen, in denen hochenergetische Protonen und Elektronen vom Erdmagnetfeld eingefangen werden. Die Wissenschaftler wollen verstehen, wie die Teilchen beschleunigt und in die Atmosphäre gestreut werden, wo sie das Klima beeinflussen können. „Die Datenassimilationsmodelle helfen uns, trotz spärlicher Messungen ein globales Bild zu erstellen“, sagt Yuri Shprits. „Durch den Vergleich unseres Analysemodells mit den erhobenen Daten und die Assimilation dieser Daten, zeigen uns die neuen Tools etwas, was wir mit bloßem Auge nicht sehen können.“
Nicht weniger wichtig aber sei es zu begreifen, wie diese Methoden funktionieren. „Sonst können wir uns nicht auf sie verlassen“, so der Physiker. „Erst wenn wir sie vollständig verstehen, wissen wir, dass das, was wir mit ihnen herausgefunden haben, real ist und genau so in der Wirklichkeit abläuft.“
Das Projekt
Im SFB 1294 „Datenassimilation“ befasst sich das Teilprojekt A02 mit den theoretischen Grundlagen der Datenassimilation. Im Teilprojekt B06 werden „Neue Methoden zur 3D-Rekonstruktion der Dynamik des Van Allen Strahlungsgürtels mittels Beobachtungen mehrerer Satellitenmissionen“ entwickelt und erprobt.
Laufzeit: 2017–2021
Beteiligt: Universität Potsdam, Technische Universität Berlin, GFZ Potsdam
Der Wissenschaftler
Prof. Dr. Yuri Shprits studierte Physik und Angewandte Mathematik in Moskau, Meteorologie in Oklahoma sowie Weltraumphysik in Los Angeles, wo er auch promovierte. Er ist Leiter der Sektion für Magnetosphärenphysik am Deutschen GeoForschungsZentrum und Professor am Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam.
E-Mail: yuri.shpritsuuni-potsdampde
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2019 „Daten“.