Schafe sind in historischen Grünanlagen ein eher seltener Anblick. Im Park Sanssouci haben einige von ihnen vorübergehend Quartier bezogen. Etwa 50 Wiederkäuer setzte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) zunächst von Juli bis November 2018 zur Pflege der Wiesen ein. Das damit verbundene fünfjährige Beweidungsprojekt begleiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppen Biodiversitätsforschung beziehungsweise Landschaftsmanagement sowie des Botanischen Gartens der Universität Potsdam.
Bereits zur Zeit von König Friedrich II. sollen Schafe im Park Sanssouci geweidet haben. Eine Tradition, die unlängst wieder aufgenommen wurde. Bentheimer und Rauwollige Pommersche Landschafe grasten bis November 2018 gegenüber vom Ehrenhof des Schlosses Sanssouci, in der Nähe des Neuen Palais und der Römischen Bäder. Nach der Winterpause kommen sie im Frühjahr 2019 wieder. Ein Schäfer betreut die Herde. Das Projekt ist sowohl als Beitrag zur Gartendenkmalpflege als auch zum Naturschutz gedacht.
Park Sanssouci ist Heimat vieler bedrohter Pflanzen
Die Wissenschaftler beobachten die Weideflächen, „um herauszufinden, ob und wie sich die Vegetation, beispielsweise durch Nährstoffzufuhr oder Verbiss, mit dieser Art der Beweidung verändert“, sagt Dr. Michael Burkart, Wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens. Wäre der Park Sanssouci nicht Teil des UNESCO-Welterbes, würde das Gebiet zu den herausragenden Naturschutzgebieten für Wiesen und Trockenrasen im Land Brandenburg zählen. Hier gibt es eine außergewöhnlich reichhaltige Natur mit vielen gefährdeten und seltenen Pflanzenarten, wie z.B. die Pechnelke oder die Tauben-Skabiose.
Jakob Schulz erfasst für seine Masterarbeit den derzeitigen Pflanzenbestand auf den Flächen, die für die Schafe ausgesucht wurden. Dabei konnte er über 100 Arten identifizieren, darunter etliche gefährdete. 2019 sollen weitere Aufnahmen folgen. Um die Bestände später vergleichen zu können, bleibt jeweils ein Teil des abgezäunten Geländes von den Schafen ungenutzt. Die Untersuchungen werden alljährlich vor der Beweidung geplant. Die Wissenschaftler analysieren die Ausgangslage sowie die Entwicklungen mit und ohne Beweidung. Sie gehen auch der Frage nach, wie sich die Flächen witterungsbedingt verändern. Michael Burkart erwartet mit der Beweidung eine Zunahme der Artenvielfalt. „Durch den Tritt und Verbiss der Schafe wird die geschlossene Grasnarbe aufgelockert. Dadurch erhalten verschiedene Samen die Möglichkeit zum Keimen. Darunter können sogar gefährdete Arten sein.“ Damit leisten die Tiere einen wichtigen Beitrag zum Landschafts- und Naturschutz. Sie taugen übrigens nicht als Ersatz für den Rasenmäher. Denn sie nehmen nur das zu sich, was ihnen schmeckt.
Parkbesucher befürworten das Projekt
Die Forscher untersuchen neben den Auswirkungen der Beweidung auf die biologische Vielfalt der Flora auch die Reaktion der Besucher auf die Schafe. „Dabei interessiert uns insbesondere, wie Potsdamer, die den Park regelmäßig besuchen, aber ebenso Touristen die Anwesenheit der Schafe, das veränderte Landschaftsbild und die ökologischen Auswirkungen auf die Wiesen im Park wahrnehmen und schätzen“, erläutert Ariane Walz, Leiterin der Arbeitsgruppe Landschaftsmanagement. Die Studentin Melissa Oppenberger hat für ihre im Oktober 2018 abgegebene Geografie-Bachelorarbeit im Juli zehn Tage lang im Park Sanssouci rund 150 deutschsprachige Parkbesucher befragt. Etwa 60 Prozent von ihnen waren Berliner und Brandenburger. Die Studentin fragte beispielsweise danach, ob die Gäste den Park als Kulturschatz, Freizeitanlage oder eher „Naturschutzfläche“ wahrnehmen. Sie erkundigte sich danach, ob das Beweidungsprojekt bekannt ist, ob die Schafe eine Bereicherung darstellen – in visueller, aber auch in ökologischer Hinsicht.
Rund ein Drittel der Befragten hatte von dem Projekt gehört, 64 Prozent der Parkbesucher sahen die Schafe als Bereicherung an. Ariane Walz findet es erstaunlich, dass 92 Prozent der Interviewten die regulierende Funktion des Parks für das Stadtklima hervorhoben. Gleichzeitig betrachteten nur 42 Prozent den Park als ein Refugium für seltene und bedrohte Pflanzen. Lobend hoben die Besucherinnen und Besucher hervor, dass ein Schäfer die Tiere betreut und der Klimaschutz durch das Vorhaben vorangetrieben wird. Um die Ergebnisse zu vervollständigen und zu erweitern, führt Melissa Oppenberger 2019 eine zweite Befragung durch.
Schafe könnten Umweltschutz betreiben
Sollte sich bestätigen, dass die beweideten Flächen eine größere Pflanzenvielfalt als die unbeweideten aufweisen, hätte das nicht zu unterschätzende Folgen. Flora und Fauna würden vielfältiger: Eine größere Pflanzenvielfalt würde beispielsweise ermöglichen, dass sich mehr Insekten und Pilze ansiedeln. Der Gartendirektor der SPSG, Prof. Dr. Michael Rohde, begrüßt die enge, „nachbarschaftliche“ Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam beim Monitoring der Beweidung. Er und die verantwortlichen Revierleiter der Stiftung haben die ersten Ergebnisse der botanischen Aufnahmen und der Besucherbefragung mit großem Interesse gelesen. Gegenwärtig diskutieren sie, was sich daraus für den Park Sanssouci und andere historische Gartenanlagen der SPSG ableiten lässt.
Das Projekt
Das Vorhaben zur Erforschung der Effekte der Schafbeweidung im Park Sanssouci auf Botanik und Besucher ist eine Kooperation der Universität Potsdam und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und soll bis Ende 2019 abgeschlossen sein. Die Planung und der methodische Aufbau der Vegetationsuntersuchungen lagen maßgeblich in den Händen von Dr. Michael Burkart, dem Kustos des Botanischen Gartens, und Dr. Johannes Metz, der inzwischen als Juniorprofessor an die Universität Hildesheim wechselte. Die Besucherbefragung wird von der Arbeitsgruppe Landschaftsmanagement unter Leitung von PD Dr. Ariane Walz und Dr. Torsten Lipp durchgeführt.
Die Wissenschaftlerin
PD Dr. Ariane Walz studierte Geografie an der Universität Würzburg und der University of Wales, Swansea. Von 2012 bis 2018 war sie Juniorprofessorin für Landschaftsmanagement im Institut für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam, jetzt ist sie Privatdozentin.
E-Mail: ariane.walzuuni-potsdampde
Text: Dr. Barbara Eckardt
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde