Wer den elektromagnetischen Wellen lauscht, die die Erde umgeben, kommt sich vor wie an einem knisternden Lagerfeuer am frühen Morgen, wenn die Vögel erwachen. Es prasselt, zischt und zwitschert und zirpt, wenn die Wellen in Töne umgewandelt werden. Darum heißen diese Wellen auch „Chorwellen“, im Englischen „chorus waves“. Sie verursachen nicht nur Polarlichter, sondern können Elektronen so sehr beschleunigen, dass diese Satelliten beschädigen. In einer aktuellen Studie, die in Nature Communications erscheinen wird, beschreiben Forscher außergewöhnliche Chorwellen um andere Planeten unseres Sonnensystems. Das Team unter der Leitung von Yuri Shprits vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und der Universität Potsdam berichtet, dass die Intensität der Chorwellen um Jupiter in der Nähe des Mondes Ganymed um den Faktor eine Million intensiver als der dortige Durchschnitt ist und immerhin noch hundertmal intensiver in der Nähe des Jupitermondes Europa. Die Ergebnisse stammen aus Auswertungen der Daten, die die Raumsonde Galileo zur Erde sendete.
„Die Beobachtungen haben uns überrascht und stellen uns auch vor ein Rätsel, wie ein Mond mit einem eigenen Magnetfeld elektromagnetische Wellen dermaßen verstärken kann“, sagt Yuri Shprits. Shprits hat noch eine weitere Professur an der University of California in Los Angeles (UCLA).
Die auch von der Erde bekannten Chorwellen sind Radiowellen in sehr tiefen Frequenzbereichen. Anders als die Erde mit ihrem eigenen Magnetfeld bewegen sich Ganymed und Europa innerhalb des gigantischen Magnetfeldes von Jupiter. Dieser Umstand spielt nach Ansicht der Autoren eine Schlüsselrolle bei der Wellenverstärkung. Das Jupiter-Magnetfeld ist das stärkste in unserem Sonnensystem und übertrifft das der Erde um den Faktor 20.000.
„Die irdischen Chorwellen sind nicht annähernd so stark wie die um den Jupiter“, sagt Professor Richard Horne vom British Antarctic Survey, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. „Selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Wellen es schafft, die nähere Umgebung von Ganymed zu verlassen, können sie Elektronen extrem beschleunigen und damit auch für hochenergetische 'Killer-Elektronen' innerhalb des Jupiter-Magnetfeldes sorgen."
Dass der Jupitermond Ganymed ein eigenes Magnetfeld hat, wurde von Margaret Kivelson und ihrem Team von der UCLA entdeckt, die Plasmawellen in seiner Umgebung hat Don Gurnetts Gruppe an der University of Iowa nachgewiesen. Doch bis jetzt war unklar, ob es sich bei den Wellen um Zufallsereignisse handelte oder ob so eine Verstärkung die Regel ist.
Zumindest auf der Erde spielen die Chorwellen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von „Killer-Elektronen“, die Satelliten und deren Übertragungstechnik empfindlich stören können. Die aktuelle Studie wirft die Frage auf, ob das auch im Jupiter-Orbit so sein könnte. Mehr noch, die Beobachtungen des Gasplaneten erhellen grundlegende Prozesse der Plasmaphysik, die auch für die künftige Energieversorgung wichtig sein könnten. Außerdem erlauben sie Einblicke in die Beschleunigung und den Verlust von Elektronen bei anderen Planeten und darüber hinaus sogar in entfernten Winkeln des Universums. Yuri Shprits sagt: „So kann die Studie uns vielleicht helfen herauszufinden, ob Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – die Exoplaneten – eigene Magnetfelder haben.“ Der GFZ-Forscher fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse liefern auch wertvolle Beobachtungsdaten, die als Vergleich und Randbedingung für Modellrechnungen zu Magnetfeldverstärkungen herangezogen werden können.“
Die Arbeit wurde von der NASA gefördert und resultiert aus einer Kooperation des GFZ, der Uni Potsdam, der UCLA, der University of Iowa, des British Antarctic Survey, des Jet Propulsion Laboratory und des Applied Physics Lab.
Titel der Studie: Strong whistler mode waves observed in the vicinity of Jupiter’s moons
DOI: 10.1038/s41467-018-05431-x
Wissenschaftlicher Ansprechpartner (möglichst auf Englisch anschreiben): Prof. Yuri Shprits (yshpritsuuni-potsdampde)
Text: Josef Zens/GFZ
Online gestellt: Alina Grünky
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