Die Welt ist klein geworden. Drohnen und Satelliten vermessen die Erdoberfläche fast rund um die Uhr und zentimetergenau. Ein Traum für Wissenschaftler. Aber wie lässt sich Fernerkundung eigentlich aus der Nähe betrachten – und vor allem Studierenden vermitteln? Ganz einfach: im Kleinen. Die Geowissenschaftler der Uni Potsdam machen es vor.
Ein Freitagvormittag im Botanischen Garten der Universität Potsdam. Gärtner wässern die Pflanzen, eine Schulklasse kommt herein, es gibt Biologieunterricht zum Anfassen im „Grünen Klassenzimmer“. Nebenan im Kakteenhaus: Studierende mit Flächenlichtlampen, Nivellierlatten und Weißreferenztafeln. Dazu verschiedene winzige Kameras auf Stativen, die auf Kakteen ausgerichtet sind. Martin Trauth, Professor für Paläoklimadynamik, hält einen dunklen Schirm, um zu starkes Sonnenlicht fernzuhalten. „Ich bin hier nur Statist“, scherzt der Geowissenschaftler. Tatsächlich hat die Studentin Lisa Krüger unter Trauths Anleitung die Übung ausgearbeitet, zu der sich die kleine Gruppe mit Sack und Pack und Hightech im Gewächshaus einquartiert hat. Der Ausflug in die Praxis ist Teil eines Pflichtmoduls im neuen Masterstudiengang „Remote Sensing, geoInformation and Visualization“, den Martin Trauth gemeinsam mit Bodo Bookhagen, Professor für geologische Fernerkundung, entwickelt hat. „Letztlich lernen die Studierenden hier, wie Fernerkundung funktioniert. Da wir nicht auf einen Satelliten klettern können, um zu sehen, wie dieser arbeitet, machen wir das hier im kleinen Maßstab – und an griffigen Beispielen.“
Die Aufgabe klingt einfach. Mit optischen Methoden sollen die Nachwuchsforscher verschiedene Substanzen identifizieren. In diesem Fall: Vegetation. Wenn man Pflanzen mithilfe von Lichtmessungen klassifizieren möchte, ist es hilfreich, möglichst verschiedene Arten von Gewächsen zu haben. Und wo findet man diese? In einem Botanischen Garten! „Was wir hier durchführen, ist quasi ein Praktikum quer durch alle Vegetationszonen“, schwärmt Trauth. „Kakteen, Palmen, aber auch einheimische Gewächse – alles auf engstem Raum.“
Dabei rücken die Studierenden den Pflanzen mit einem ganzen Set aus Kameras auf den Leib: Drei Spektralkameras, die jeweils unterschiedliche, sehr enge Wellenlängenbereiche erfassen, werden nacheinander auf das Stativ geschraubt. Dazu kommen die Bilder einer Kamera, die sonst in einer von Bookhagens Drohnen steckt. Die verschiedenen Datensätze sollen später zusammengeführt werden – und lassen dann Rückschlüsse darauf zu, was da vor der Linse stand. „Pflanzen absorbieren rotes Licht zur Photosynthese. Andere Wellenlängen, wie etwa das energieärmere Infrarotlicht, werden aber – etwa durch die dicke Wachsschicht, die man auf Sukkulenten findet – reflektiert. Wenn sie die nicht hätten, würden die Pflanzen überhitzen“, erklärt Trauth.
Dabei lässt sich mit den Kamerabildern nicht nur bestimmen, um welche Vegetation es sich handelt, sondern auch, wie gut es den Pflanzen geht. Selbst die Böden, auf denen die verschiedenen Sukkulenten stehen, lassen sich auf diesem Weg identifizieren. Und auch die sind im Botanischen Garten überaus vielfältig: rote, eisenhaltige Böden, beigefarbene Sandsteine, Granit oder Beton – ein Paradies für die angehenden Geoforscher. Sie kommen übrigens eigens für den Master aus aller Welt nach Potsdam. Im Botanischen Garten stehen an diesem Vormittag junge Menschen aus Indien, Schweden, Argentinien und Deutschland. „Es ist eine kleine, aber hochmotivierte Gruppe“, sagt Trauth. „Und wir organisieren viele solcher praxisorientierten Kurse, die die Leute bei der Stange halten.“ Derweil freut er sich auf die nächste Klimazone: „Wenn wir hier fertig sind, dürfen wir noch ins Palmenhaus.“ Ob auch der Botanische Garten von der Arbeit der ungewohnten Besucher profitiert? Trauth ist jedenfalls zuversichtlich. Immerhin seien Verfahren wie die hier erprobten in der modernen Landwirtschaft durchaus schon im Einsatz. So würden große Anbauflächen durch Drohnen überwacht. „Den Pflanzen im Botanischen Garten geht es natürlich sehr gut. Das haben die Gärtner schon im Blick“, so der Geowissenschaftler. „Aber wer weiß, was sich noch ergibt. Wir werden unsere Ergebnisse auf jeden Fall mit den Kollegen des Botanischen Gartens diskutieren.“
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Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Alina Grünky
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