Wann wirkt Psychotherapie und wann nicht? Was macht einen guten Therapeuten aus? Und wie lässt sich seine Kompetenz messen? Das sind Fragen, die Florian Weck bewegen und auf die die Wissenschaft noch keine Antwort weiß. Ihn interessiert, wie Menschen mit psychischen Problemen am besten für die Herausforderungen in Beruf und Familie fit gemacht werden können. Im vorigen Jahr wechselte der gebürtige Frankfurter (a.M.) aus Mainz ins Brandenburgische. An der Universität Potsdam ist er seither Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie – und zugleich Direktor der dazugehörigen Psychologisch-Psychotherapeutischen Ambulanz (PPA). Letzterer hat er bereits seinen Stempel aufgedrückt. Die Psychotherapie von erwachsenen Patienten und die Psychotherapieforschung sind stärker in den Mittelpunkt gerückt.
Eines seiner speziellen Forschungsthemen bildet die Angst vor Krankheiten. Mit ihr hat er sich schon früher wissenschaftlich beschäftigt. Das begann vor zwölf Jahren. Damals wirkte er als Doktorand daran mit, an der Universität Mainz einen Behandlungs- und Forschungsschwerpunkt für Krankheitsängste zu etablieren.
Praktische Lebenshilfe geben
Es ist also kein Zufall, wenn Florian Weck jetzt an der Potsdamer PPA den neuen Behandlungsschwerpunkt Krankheitsangst einrichtet. Das Phänomen besitzt gesellschaftliche Relevanz. Immerhin beherrscht es manche Menschen so stark, dass sie privat und auch beruflich aus dem Gleichgewicht geraten. Treten Kopfschmerzen länger auf als üblich, schwillt vielleicht sogar noch ein Lymphknoten an, bricht schnell Panik aus. Betroffene können nicht mehr abschalten, stöbern stundenlang in entsprechenden Internet-Portalen, stellen eigene Diagnosen. Und dieser Albtraum wird zur Endlosschleife: Ist das eine Beschwerdebild abgeklungen, werden neue körperliche Symptome entdeckt – und fehl- oder überinterpretiert. Dauern solche Phasen länger als ein halbes Jahr an, sprechen Experten von ausgeprägter Krankheitsangst, im Extremfall von Hypochondrie oder neuerdings von Krankheitsangststörung. Etwa sieben bis zehn Prozent der deutschen Bevölkerung sorgen sich überdurchschnittlich viel um ihre Gesundheit, fast ein Prozent leidet unter einer behandlungsrelevanten Hypochondrie. Doch nur wenige davon kommen mit diesem Problem sofort zur Psychotherapie. In der Regel liegt hinter ihnen eine lange Odyssee durch Arztpraxen, bis sie hierher finden. Und zwar beunruhigter denn je. „Das ließe sich vermeiden, wenn die Möglichkeiten der Psychotherapie besser bekannt wären“, so Florian Weck. Die Therapie von Krankheitsängsten sei inzwischen sehr erfolgreich – auch im Vergleich zur Behandlung von anderen psychischen Störungen. Daten einer von ihm durchgeführten Studie zeigen, dass auch drei Jahre nach einer Behandlung noch zwei Drittel der Befragten keine ausgeprägten Krankheitsängste mehr aufweisen. „Die Ratsuchenden können guter Dinge sein, dass wir in der Lage sind, ihnen in relativ kurzer Zeit zu helfen“, versichert der Wissenschaftler. Ein halbes Jahr genüge häufig, um viel zu erreichen. Komplett verschwinde die Angst zwar nicht immer, aber der Patient oder die Patientin lerne, mit ihr umzugehen. Sein Team ist auf die neue Aufgabe gut vorbereitet. Erste Patienten mit Krankheitsängsten lassen sich bereits behandeln. Mittels einer Verhaltenstherapie lernen sie in durchschnittlich 20 bis 25 Einzelsitzungen, ihre Angst in den Griff zu bekommen. „Üblicherweise müssen viele Gewohnheiten verändert werden. Wichtig ist beispielsweise auch, die Suche nach Krankheiten und Symptomen im Internet aufzugeben und sich mit den aufrechterhaltenden Bedingungen für das vorhandene Problem auseinanderzusetzen.“ Vom Krankheitsbild betroffen seien Männer und Frauen gleichermaßen. „Es gibt nicht den einen Typ, der dafür anfällig ist“, sagt Florian Weck.
Psychische Erkrankungen sind medientauglich geworden
Dass die Psychotherapie in Deutschland der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen hat, freut den Uni-Professor. Dazu geführt hätten vor allem handfeste wirtschaftliche Gründe. Denn psychische Erkrankungen führen nicht selten zu langen Ausfallzeiten im Beruf. „Man konnte zeigen, dass die Psychotherapie geeignet ist, um eine Reihe von Störungsbildern sehr effektiv zu behandeln“, so der PPA-Direktor. „In der Kosten-Nutzen-Rechnung führt sie unter dem Strich zu einem positiven Ergebnis.“ Für den Aufschwung des Fachgebiets macht der Forscher aber noch eine weitere Tatsache verantwortlich: Die Psychotherapie sei endlich aus einer Ecke geholt worden, in die sie nicht gehöre. Menschen mit psychischen Problemen galten in Deutschland lange als Außenseiter. Sich mit ihnen zu beschäftigen, als Sache derer, die in einer Tabuzone agieren. „Inzwischen ist das natürlich Geschichte. Über psychische Erkrankungen informieren heute die Medien, es wird öffentlich darüber gesprochen. Das gibt Betroffenen Kraft, sich Hilfe zu holen“, so Florian Weck. Hierfür weiter die theoretischen Grundlagen zu legen und auch die wissenschaftlich untermauerten Angebote zu schaffen, das ist es, was ihn reizt.
Wie gute Therapeuten „heranwachsen“, muss die Wissenschaft noch herausfinden
In seinem aktuellen DFG-Projekt untersucht Florian Weck gemeinsam mit Mitarbeiterin Yvonne Kaufmann, wie wichtig ein Kompetenz-Feedback für den Therapieerfolg ist. Schon in Frankfurt am Main, wo er zwischen 2009 und 2014 arbeitete, hat ihn diese Frage beschäftigt. In einer Studie stellte seine Forschungsgruppe damals fest, dass es sehr effektiv sein kann, wenn junge Therapeuten unmittelbar in der Sitzung von erfahrenen Kollegen über einen Monitor Rückmeldungen zu ihrem Vorgehen bekommen. „Diejenigen, die eine unmittelbare Supervision erhielten, waren am Ende in den Werten besser als jene mit der nachträglichen Auswertung“, fasst Florian Weck das Ergebnis zusammen. Feedback, sagt er, sei enorm wichtig für den Therapeuten-Nachwuchs. Das bestätige auch die Vorstudie des gegenwärtigen Projekts. Die Teilnehmer, die im Gegensatz zur Vergleichsgruppe konkrete schriftliche Rückmeldungen nach ihren Therapiesitzungen mit den Patienten bekamen, hätten einen deutlichen Kompetenzzuwachs erworben. „Die Frage ist nur, ob dieser beim Patienten gleichzeitig zum Therapieerfolg führt.“ Noch gibt es dazu keine Daten. Für das Forschungsvorhaben bewilligte die Deutsche Forschungsgemeinschaft gerade die Verlängerung; es läuft noch bis Anfang 2019. Das Projekt berührt eine ganz grundsätzliche Frage: Was macht einen guten Therapeuten aus? Noch hat die Forschung diese nicht wirklich beantwortet. Sicher ist nur, dass die Beziehung zwischen ihm und seinem Gegenüber wichtig ist. Und auch wie eine gute Therapie aussieht, ist nicht endgültig geklärt. Fest steht: „Man muss über genügend strukturelle Fähigkeiten, aber auch Einfühlungsvermögen und ausreichend fachspezifisches Wissen verfügen, um erfolgreich zu sein“, konstatiert Florian Weck. Noch gebe es auch zu wenige Erkenntnisse darüber, welche Trainingseinheiten besonders geeignet sind, den Therapeuten die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. In Potsdam will man das künftig herausfinden. Geplant ist die Einrichtung eines Videostudios, um den Einfluss von Trainingsmaßnahmen auf die Entwicklung therapeutischer Kompetenzen zu untersuchen. Noch steckt die Idee in den Anfängen. „Mich interessiert aber schon sehr, wie man künftigen Psychotherapeuten am besten beibringt, ein guter Therapeut zu sein“, unterstreicht der Wahl-Potsdamer.
Die Psychologisch-Psychotherapeutische Ambulanz der Universität Potsdam bietet seit 1990 Psychodiagnostik, Psychotherapie und Beratung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei allen psychischen Störungen mit Krankheitswert an. Grundlage ist ein verhaltenstherapeutischer Ansatz, der sich in wissenschaftlichen Studien als besonders wirksam erwiesen hat. Das Team besteht aus 13 Therapeuten und einem Ambulanzleiter, die alle approbiert sind.
Posthofstraße 15, 14467 Potsdam
Telefon: 0331/2434-2351
E-Mail: ambulanzupsych.uni-potsdampde
Website: https://www.uni-potsdam.de/clinical-psychology/ambulanz.html
Sprechzeiten: 9–15 Uhr und nach Vereinbarung
Der Begriff Hypochondrie bezeichnet die übertriebene Angst, krank zu sein beziehungsweise zu werden. Die Betroffenen überbewerten körperliche Symptome oder fehlinterpretieren diese. Vermutlich leidet weniger als ein Prozent der Deutschen unter Hypochondrie. Studien zeigen, dass außerdem etwa sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung vorübergehende gesundheitsbezogene Ängste haben.
Der Wissenschaftler
Prof. Dr. Florian Weck studierte Psychologie an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz. Seit 2016 ist Florian Weck Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Potsdam. Außerdem ist er Direktor der Psychologisch-Psychotherapeutischen Ambulanz der Hochschule.
Universität Potsdam
Strukturbereich Kognitionswissenschaften
Karl-Liebknecht-Straße 24–25
14476 Potsdam
E-Mail: fweckuuni-potsdampde
Text: Petra Görlich
Online gestellt: Marieke Bäumer
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde
Diesen und weitere Beiträge zur Forschung an der Universität Potsdam finden Sie im Forschungsmagazin „Portal Wissen“.