20. Oktober – Ibadan
Nun ist es so weit - heute reisen wir ab. Wir frühstücken ein letztes Mal im Alumni-Restaurant und verabschieden uns anschließend von all den Menschen, die wir in den letzten beiden Wochen so zu schätzen gelernt haben. Es werden noch viele Fotos geschossen, bevor wir endgültig in den Bus steigen, der uns nach Lagos bringen soll. Wir planen reichlich Zeit ein, denn wie wir bei unserem Aufenthalt hier gelernt haben, ist der Verkehr in Nigeria unberechenbar. Da unser Flug erst um 23 Uhr geht, verbringen wir die Stunden vor dem Abflug noch einmal in dem Hotel, in dem unsere Reise in Lagos begann. Wir nutzen die Zeit, schreiben Blogtexte, sortieren Fotos und tauschen uns über die Erlebnisse und Eindrücke aus diesem faszinierenden und facettenreichen Land aus. Nach einer schier endlos erscheinenden Sicherheitskontrolle am Flughafen sind wir alle froh, endlich in das Flugzeug steigen zu können. Die wirren Gedanken, die uns momentan durch den Kopf gehen, lassen sich nur schwer in Worte fassen. Die Erinnerungen an unsere Zeit in Nigeria werden uns wohl noch lange beschäftigen. Wir sind auf alle Fälle sehr dankbar dafür, Teilnehmer dieser Exkursion gewesen zu sein, und freuen uns über die Erfahrung des kulturellen wie auch sprachwissenschaftlichen Lernens außerhalb des Seminarraums. Aus diesem Grund möchten wir uns abschließend noch einmal herzlich bei Prof. Dr. Hans-Georg Wolf und Prof. Igboanusi bedanken, die uns diese Exkursion ermöglicht haben.
Da der heutige Blogeintrag recht kurz ausfällt, haben wir unsere Doktorandin Anna-Magdalena Finzel gefragt, ob sie für unseren Blog einen Gasteintrag verfassen will, denn sie hat durch ihre Forschung auch unabhängig von der Gruppe viele schöne und interessante Erfahrungen gesammelt, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen:
Die Exkursion nach Nigeria – und vor allem die damit verbundene Rundumbetreuung an der University of Ibadan – boten mir die einmalige Gelegenheit, direkt vor Ort Daten für meine Dissertation zu sammeln. In dieser vergleiche ich drei Varietäten des Englischen – unter anderem Nigerian English –darauf, lokale Konzepte das Verständnis von Geschlechterrollen beeinflussen. Dafür führe ich Interviews durch, um anhand sprachlicher Realisierungen Rückschlüsse auf diese Rollen ziehen zu können.
So viel zur Theorie. Praktisch gesehen stellt die Datenerhebung im Ausland immer eine Herausforderung dar, weil man nie weiß, welche Gegebenheiten (ob kultureller oder infrastruktureller Art) man vor Ort zu erwarten hat. Da einige meiner Interviewfragen sensible Themen wie z.B. Homosexualität ansprechen, musste ich besondere Sorgfalt walten lassen, um die ohnehin schon aufregende Interviewsituation für die Teilnehmenden so angenehm wie möglich zu gestalten. Meine anfängliche Besorgnis wurde durch die überaus offene Art der Studierenden allerdings schnell zerstreut. Die Antworten der Teilnehmenden waren zudem nicht nur wohl überlegt, sondern wurden auch mit herausragenden rhetorischen Fähigkeiten präsentiert. Die Interviews zeigten, welch ausgeprägte Oral Culture Nigeria besitzt, dank der die Mythen und Traditionen des Landes seit Langem mündlich weitergegeben werden.
Eine weitere Herausforderung, der man sich im Ausland stellen muss, ist die „Rekrutierung“ der Teilnehmenden. Ebenso simpel wie essenziell ist die Frage, auf welche Art man am besten verbindliche Verabredungen trifft, damit man nicht vergebens wartet. Hilfe bekam ich dabei zunächst von einer Studentin, die verschiedene Leute ansprach und diese dann persönlich ins Phonetiklabor brachte, wo ich die Interviews durchführte. Da die Menschen hier unfassbar hilfreich und zuvorkommend sind, gesellten sich bald zwei weitere Studenten dazu, die den Strom der Interviewpartner_innen nicht abreißen ließen. So kam es teilweise vor, dass sich die Mitarbeitenden des Labors über eine Ansammlung Studierender wunderten, die geduldig auf ihr Interview warteten. Vereinzelt kamen sogar Interessierte zu den Interviews, die von der ominösen Deutschen gehört hatten, die im Keller des Instituts sitzt und neugierige Fragen stellt.
Die Vermutung eines zuvor konsultierten nigerianischen Yorùbá-Aktivisten, ich würde zwar keine Schwierigkeiten mit den teils pikanten Interviewfragen haben, dafür aber wohl den ein oder anderen Heiratsantrag bekommen, hat sich am Ende jedoch nicht bestätigt. Die Studierenden nahmen die Fragen nämlich sehr ernst. Neben den Gesprächen selbst erfreut mich vor allem das positive Feedback der Teilnehmenden, denen das Ganze offenbar ebenso viel Spaß bereitet hat. Insgesamt hätte die Erhebung nicht besser laufen können und so bin ich nun gespannt darauf, die Daten auszuwerten und zu sehen, welche Ergebnisse sie mir bescheren.
Text: Sandra Hesse, Anna Korneva und Valerie Pobloth
Online gestellt: Alina Grünky
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