17. Oktober – Ibadan
Wir fühlen uns nun fast wie normale Studierende der Universität Ibadan und besuchen auch heute wieder ein Seminar. Einige von uns nehmen am Deutsch-Seminar unseres Freundes Lanre „Larry“ Okuseinde teil, das eigentlich schon am Donnerstag stattfinden sollte. Larry ist einer der beliebtesten Dozenten des Deutsch-Departments, was uns nicht überrascht, denn er gestaltet den Lernprozess sehr unterhaltsam. Er erzählt viel (auf Deutsch), macht Witze und überfordert die Studierenden nicht mit Unmengen von Grammatik, die sie ohnehin nicht verdauen können. Dabei spricht er verschiedene Themen an und versucht, alle Studierenden in die Diskussion einzubeziehen. Darüber hinaus verwendet er auch deutsche Musik, z.B. von der Band Culcha Candela, um den Studierenden die deutsche Kultur und Sprache näherzubringen. Etwas sonderbar ist für uns der „Klassenraum“: Die 20 Studierenden (Sprachniveau B1) werden alle direkt in Larrys Büro unterrichtet. Dabei sitzen einige auf Bänken und Stühlen, andere auf Tischen oder müssen sogar stehen.
Zur gleichen Zeit ist der Rest der Gruppe zu Gast beim Sender des Campus Radios Diamond FM. Wir werden zunächst von Emokhare Paul Anthony, dem Direktor des Senders, begrüßt, der uns dessen Produktionsweise erklärt. Der Sender ist nicht kommerziell und dient sowohl der Unterhaltung als auch der Bildung seiner Zuhörer. Anthony betont dabei, dass fast alle, die hier arbeiten, freiwillige Studierende oder Praktikanten aus verschiedenen Fachrichtungen seien. Die Qualität des Senders wird dadurch gesichert, dass es pro Einheit zugleich ausgebildete Mitarbeiter, wie z.B. Techniker, Redakteure und Ingenieure, gibt, welche die Produktion überwachen und den Studierenden beratend zur Seite stehen. Immerhin wird der Radiosender nicht nur auf dem Gelände der Universität gehört, sondern darüber hinaus im ganzen Bundesstaat.
Anschließend werden wir durch den Sender geführt. In der Abteilung für die Nachrichtenproduktion erfahren wir, dass hauptsächlich über lokale (70%), aber auch nationale und bundestaatliche (20%) sowie globale Ereignisse (10%) berichtet wird. 40% des Programms werden live gesendet, 60% werden zunächst aufgenommen, um dann vor Ausstrahlung noch editiert zu werden. Als Linguistik-Studierende interessiert uns natürlich auch, wie es sich mit der Sprache verhält: 80% des Programms werden auf Englisch produziert, 20% in Igbo oder Yorùbá. Am Ende unserer Tour besuchen wir eines der Aufnahmestudios, in dem gerade live gesendet wird. Hier wird unser Professor auch prompt gebeten, den Zuhörern ein paar Grüße aus Deutschland zu übermitteln.
Am Nachmittag ergibt sich mal wieder die Chance auf eine Tour außerhalb des Campus, die wir uns nicht entgehen lassen. In einem Shoppingcenterkomplex beschließen wir, ins Kino zu gehen. Die Filmindustrie Nigerias wird informell auch Nollywood genannt und ist nach Hollywood (USA) und Bollywood (Indien) die drittgrößte der Welt. Wir bemerken hier schnell, dass selbst ins Kino zu gehen für uns in Nigeria eine kulturell interessante Erfahrung ist, denn die Reaktionen des Publikums sind deutlich hörbarer als in Deutschland. Wir sehen einen Film namens „The Women“ (dt. „Die Frauen“), in dem vier Ehepaare den 40. Geburtstag einer der Frauen feiern. Die Handlung endet in Drama und völligem Chaos bei allen Beteiligten, was in unserer Gruppe unterschiedlich gut ankommt: Während einige gespannt die Handlung verfolgen, ist das Dargestellte den anderen ein bisschen zu dramatisch. Dass er insgesamt nur eine Stunde dauert, ist letztlich aber allen recht – und selbst jene, deren Geschmack er vielleicht nicht getroffen hat, sind am Ende um eine Erfahrung reicher.
Für Interessierte, hier der Link zum Trailer von „The Women“: https://www.youtube.com/watch?v=blspmlPiNvc
Text: Sandra Hesse, Anna Korneva und Valerie Pobloth
Online gestellt: Matthias Zimmermann
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