16. Oktober – Ibadan
Wir sind wieder zurück auf dem Campus der Universität von Ibadan. Heute stehen einige Meetings in der Uni an. Zuerst besuchen wir ein Seminar über englische Phonologie von Dr. Osisanwo. Die suprasegmentale Analyse lässt unsere Köpfe rauchen. Es ist faszinierend, wie der Dozent es schafft, jeden in die Diskussion einzubeziehen, obwohl sein Kurs mit über 30 Studierenden ganz schön voll ist. Hier merkt man, wie sehr Nigerianer die Möglichkeit, zur Uni gehen zu können, schätzen. Sie sitzen nicht einfach herum und verschwenden ihre Zeit, sondern achten ganz genau darauf, was der Dozent sagt und stellen viele Fragen. Er selber, ziemlich jung und energetisch, lädt uns nach dem Seminar noch in sein Büro ein und erzählt uns einiges über seinen Werdegang und seine Pflichten als Dozent und Betreuer hier an der Uni. Kaum zu glauben, aber manchmal sollen über 100 Studierende in einem Doktorandenseminar sitzen!
Um 14 Uhr sind wir mit Prof. Igboanusis Linguistikstudierenden in den Gärten der Geisteswissenschaftlichen Fakultät verabredet. Für uns eine tolle Gelegenheit, etwas über die linguistische Situation Nigerias zu lernen und gleichzeitig den Nigerianern etwas über deutsche Sprachlandschaft zu erzählen. Der größte Unterschied ist, dass Nigeria ein multilinguales Land ist, während es in Deutschland nur eine Sprache gibt. Unsere Gesprächspartner sind ziemlich überrascht, dass man abgesehen von der Schule, der Uni und einigen speziellen Berufsfeldern, im deutschen Alltag kaum Englisch, sondern ausschließlich Deutsch spricht. Für sie ist das kaum vorstellbar, denn hier in Nigeria sprechen Menschen mit einem höheren Bildungsstand fast durchgehend Englisch.
Obwohl Nigerianer als Muttersprache eine indigene Sprache gelernt haben, ist die Unterrichtssprache in der Schule und der Universität Englisch. Als wir sie fragen, ob sie es nicht als anstrengend empfinden, Biologie, Mathematik usw. auf Englisch zu lernen, winken sie ab. Da in Nigeria über 500 Sprachen existieren, sprechen Kinder die gemeinsam in eine Schule gehen, oft gar nicht die gleiche Sprache. Englisch als Lingua franca ermöglicht es ihnen erst, miteinander zu kommunizieren. Darüber hinaus besitzen einige indigene Sprachen gar nicht so einen breiten Wortschatz, dass man sie als Unterrichtssprache verwenden könnte. Etliche spezielle Wörter aus dem Bildungskontext fehlen dort oft.
Interessanterweise ziehen viele Studierende Englisch ihrer Muttersprache vor, denn Englisch wird in Nigeria mit Bildung, Macht und Prestige in Verbindung gebracht. „Wenn du hier kein Englisch beherrschst, hast du keine Chance auf eine Karriere“, lautet ein oft zu hörender Satz. Trotzdem sprechen die meisten von ihnen zusätzlich mehrere indigene Sprachen, mit deren Hilfe sie sich in ihrer Umgebung durchschlagen. Denn nicht jeder hier kann Englisch. Für unsere Einkäufe dem Markt z.B. brauchen wir ab und zu Übersetzungshilfe.
Ziemlich beeindruckt von all diesen neuen Informationen machen wir uns auf den Weg zu einem Obststand in der Nähe und genießen frische Kokosnuss und Ananas in der Sonne.
Text: Sandra Hesse, Anna Korneva und Valerie Pobloth
Online gestellt: Alina Grünky
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