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Individuell Deutsch lernen – Germanisten der Uni Potsdam haben ein Material vorgelegt, das den Unterricht in den sogenannten Vorbereitungsklassen deutlich verbessern könnte

Um Lehrkräfte dabei zu unterstützen, neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler angemessen zu unterrichten, hat der Arbeitsbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache am Institut für Germanistik der Universität Potsdam entsprechende curriculare Grundlagen entwickelt. Sie sollen dabei helfen, die Unterrichtskonzepte so auszurichten, dass sie an den spezifischen Bedürfnissen der Lernenden orientiert sind. Die Handreichung „Curriculare Grundlagen Deutsch als Zweitsprache“ war im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg und in Kooperation mit dem Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) entstanden. Petra Görlich sprach mit Dr. Jana Gamper, einer der Autorinnen, über das Projekt. 

Frau Dr. Gamper, wie notwendig war es, die Handreichung zu erarbeiten?

Seit dem Jahr 2016 sind etwa 8000 Schülerinnen und Schüler mit wenigen Deutschkenntnissen in Brandenburger Schulen gekommen – mehr als je zuvor. Um sie möglichst schnell in den Schulalltag zu integrieren, wurden Vorbereitungsklassen eingerichtet – ein in Brandenburg noch recht neues Modell. In diesen Klassen lernen neu zugewanderte Kinder und Jugendliche die Grundlagen der Zweitsprache Deutsch. Die Lehrkräfte konnten die dafür vorhandenen Materialien jedoch kaum nutzen, da sie sich häufig an fortgeschrittene Lernende richten. 

Auf welcher Grundlage ist die Publikation entstanden?

Uns war es wichtig, den Lehrkräften vor allem die Grundlagen der sprachlichen Entwicklung an die Hand zu geben. Dieser Ansatz birgt ein hohes Maß an Flexibilität. So können Lehrkräfte je nach Alter oder Vorwissen ihrer Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob sie zunächst Alltagsthemen wie Hobbies und Familie oder schon regelunterrichtsbezogene Themen, zum Beispiel aus den Naturwissenschaften, in den Vorbereitungsunterricht integrieren. Da die Differenzierung der Kinder nicht nach Thema, sondern nach individuellem Sprachstand im Deutschen erfolgt, können alle gemeinsam lernen und werden trotzdem individuell gefördert. 

Welchen Ansatz wählte Ihre Arbeitsgruppe, um die äußerst unterschiedlichen sprachlichen Entwicklungsstände aufzufangen?

Ziel war es, der Handreichung die Erkenntnisse aus der Forschung zum Zweitspracherwerb zugrunde zu legen. Inzwischen weiß man, dass sich der Erwerb des Deutschen in festen Stufen vollzieht. Lernende durchlaufen diese Stufen unterschiedlich schnell, wodurch verschiedene Entwicklungsstände zustande kommen. Damit Lehrkräfte diese Stufen ermitteln können, gibt ihnen die Handreichung ein spezielles Diagnoseverfahren an die Hand: die Profilanalyse. Damit lassen sich mündliche und schriftliche Äußerungen analysieren und einer Entwicklungsstufe zuordnen. Lehrkräfte können ihre Materialien dann entsprechend anpassen. 

Welche Möglichkeiten haben die Lehrkräfte überdies, um den Unterrichtsstoff an die individuellen sprachlichen Fähigkeiten anzupassen?

Ein wichtiger Aspekt unserer Handreichung ist es zu zeigen, wie genau man das Wissen über unterschiedliche Entwicklungsstufen im Unterricht nutzen kann. Dazu haben wir anhand von Beispielen deutlich gemacht, wie man Unterrichtsthemen und Lernfelder sprachlich so anpasst, dass sie die jeweiligen individuellen Kompetenzen in den Klassen berücksichtigen. Lehrkräfte können zum Beispiel als Unterrichtsthema ein naturwissenschaftliches Lernfeld wie „Stoffe im Alltag“ wählen. Alle bearbeiten dann den für dieses Feld wichtigen Wortschatz und die jeweiligen Lerninhalte. Unterschieden wird nur danach, welche sprachlichen Strukturen von den Schülern verlangt werden. 

Inwiefern reagiert die Universität Potsdam in ihrer Lehrerbildung darauf, dass in den Klassen künftig vermehrt junge Menschen sitzen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist?

Inhalte wie Zweitspracherwerb, individuelle sprachliche Entwicklung und Sprachstandsdiagnostik bilden einen Lehr- und Forschungsschwerpunkt unserer Abteilung. Studierende, die unsere Lehrveranstaltungen besuchen, sind insofern auf die sprachliche Heterogenität von DaZ-Lernenden gut vorbereitet. Problematisch ist, dass unsere Lehrveranstaltungen eher ein punktuelles Angebot darstellen. Ein Thema wie der Umgang mit sprachlicher Heterogenität gehört unserer Meinung nach als Querschnittsthema in die Lehrerbildung aller Schulstufen. Dies hat man in vielen Bundesländern bereits erkannt.

Text: Petra Görlich
Online gestellt: Marieke Bäumer
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

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