Forschung ist Teamarbeit. Große Ziele brauchen viele Hände und Köpfe – und viele, viele kleine Schritte. Das lernen Studierende heute schon beim Gruppenvortrag im ersten Proseminar. Warum also nicht gleich auf der großen Bühne? Wie bei iGEM, einem internationalen Biotechnologie-Wettbewerb. Dort geht 2017 – nach fünf Jahren – wieder ein Team von Studierenden der Universität Potsdam an den Start. Der Weg zum großen Finale am MIT in Boston im November ist wissenschaftlich anspruchsvoll – und zugleich ganz anders, als man ihn erwarten würde.
Denn iGEM ist eine weltweite Herausforderung, bei der letztlich alle Teilnehmenden gemeinsam an einem Strang ziehen: der Herstellung einer biotechnologischen Maschine, der „international Genetically Engineered Machine“, kurz iGEM. Bei dem jährlich stattfindenden Wettbewerb, der sich an Studierende der Biotechnologie und der Synthetischen Biologie richtet, erhält jedes Team ein Starterpack aus genetischen Bausteinen, sogenannten BioBricks®. Mit diesen Hilfsmitteln sollen die Nachwuchswissenschaftler dann an einem selbst gewählten Thema forschen. „Die Grundidee von iGEM ist: mithilfe von biologischen Modulen Aufgaben zu lösen, die wiederum dabei helfen, neue Module zu entwickeln“, erklärt der Initiator des Potsdamer iGEM-Teams Bryan Nowack. „Das große Ziel ist es also, einen Beitrag zum großen iGEM-Werkzeugkasten zu leisten.“
Das Potsdamer Team hat sich vorgenommen, die Produktion eines Stoffes in E.coli künstlich schneller und effizienter zu machen. Um das zu schaffen, wollen sie Proteine, die am Stoffwechsel beteiligt sind, in der Zelle räumlich näher zueinanderbringen, damit nur kurze Strecken per Diffusion überwunden werden müssen und die Synthese schneller abläuft. Dafür bedienen sie sich einer relativ neuen biochemischen Methode namens CRISPR/Cas, die es ermöglicht, DNS gezielt zu schneiden und zu verändern. „Wenn es klappt, könnte ein solches biotechnologisches Verfahren dabei helfen, Stoffe schneller und billiger herzustellen“, erklärt Nowack. Der Student der Biowissenschaften war im März 2016 auf den Wettbewerb aufmerksam geworden. Er begann, unter den Professoren des Instituts Unterstützer zu suchen, Freunde zu „rekrutieren“ und in Seminaren Flyer zu verteilen. Mit Erfolg: Ende des Jahres war das Team komplett.
IGEM klingt wie ein großes Abenteuer für Nachwuchsforscher. Stimmt auch. „Kein Uni-Praktikum ist so individuell wie der Wettbewerb“, sagt Nowack. „Und dank der Unterstützung, die wir beispielsweise von Prof. Dr. Bernd Müller-Röber und Prof. Dr. Salim Seyfried, aber auch Wissenschaftlern am MPI für Pflanzenphysiologie bekommen, lernen wir enorm viel.“ Aber es ist zugleich harte Arbeit. Seit Januar treffen sich die zwölf Mitstreiter zweimal pro Woche. Und das nicht nur im Labor: Das Team hat wochenlang geplant und vorbereitet. Denn die Teams müssen ihre Teilnahme am Wettbewerb selbst finanzieren – vom Objektträger bis zur Zellkultur, vom Kopierpapier bis zum Flugticket nach Boston. Deshalb wurden Dutzende von möglichen Förderern angeschrieben, es gab sogar eine eigene Crowdfundingkampagne. In nur drei Monaten haben die Studierenden Geld- und Sachförderung im Wert von rund 30.000 Euro eingeworben. „Aber zur Öffentlichkeitsarbeit gehört noch mehr: Wir haben einen Film und andere Werbematerialien produziert, sind an Schulen gegangen und haben über das Studium an der Uni gesprochen“, erklärt Team-Mitglied Sarah Leonhardt. „Im November organisieren wir eine öffentliche Vorlesung, in der wir das Projekt allen Interessierten vorstellen. Da wollen wir schon Leute fürs nächste Jahr finden.“
Das dürfte im Sinne des iGEM-Wettbewerbs sein, dessen Credo lauten könnte: Selbst und trotzdem miteinander. Denn die Teams müssen zwar einerseits alles in Eigenregie organisieren. Andererseits ist der Wettbewerb nicht als Konkurrenzkampf um das Siegertreppchen konzipiert. Im Gegenteil: Gewinnen können letztlich alle Teilnehmer. Aber um eine Medaille zu bekommen, muss man mit anderen Forschergruppen zusammenarbeiten. Diese Hürde haben die Potsdamer Studierenden bereits genommen, sie stehen im Austausch mit Teams aus Eindhoven und Pakistan.
Mittlerweile gilt ihr Fokus aber vor allem der experimentellen Arbeit im Labor. Die Zeit drängt: Ende Oktober sollen die Ergebnisse vorliegen – und dann im November am MIT vorgestellt werden
Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Agnetha Lang
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