Eiskappen an den Polen gab es nicht, der Meeresspiegel war 100 Meter höher als heute. Vor 66 Millionen Jahren, als die Dinosaurier die Erde bevölkerten, war es auf dem größten Teil der Erdoberfläche tropisch heiß. Doch vor rund 34 Millionen Jahren wurde es trockener und kühler. Geowissenschaftler und Klimaforscher suchen nach den Gründen.
Es sieht aus wie ein Stück graues Gestein. Doch was der Geowissenschaftler Dr. Guillaume Dupont-Nivet in den Händen hält, lebte einst. Es ist die Versteinerung einer 50 Millionen Jahre alten Auster. Wer genau hinschaut, erkennt zarte Strukturen im Fossil. Es sind Ringe, die die Auster während ihres Wachstums gebildet hat. Für den Wissenschaftler ist die Auster ein Klimaarchiv. Mit ihrer Hilfe entschlüsselt er, was vor Urzeiten geschah. Vor zwei Jahren kam Guillaume Dupont-Nivet aus Frankreich nach Potsdam – ursprünglich als Humboldt-Stipendiat. Er blieb für ein weiteres Projekt: In MAGIC erforscht er mit seinem Team, warum sich das Klima vor Millionen von Jahren dramatisch wandelte und welchen Anteil der asiatische Monsun daran hatte. Ein Puzzleteil in diesem Rätsel ist der Gehalt an Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre, der zu dieser Zeit wesentlich höher war als heute, dann aber rasant fiel. „Etwa auf ein Viertel des ursprünglichen Werts“, erklärt Guillaume Dupont-Nivet. Doch wodurch sank die Konzentration des Treibhausgases?Bisher gab es dazu zahlreiche Theorien, doch keine konnte wirklich überzeugen. Die Forscher um Guillaume Dupont-Nivet entwickelten eine neue: Sie gehen davon aus, dass die intensiven Regenfälle des Monsuns die chemische Verwitterung von Gestein ankurbelten. In dieser Reaktion, die auch heute noch stattfindet, wird der Atmosphäre entzogenes Kohlenstoffdioxid gebunden. Über Flüsse und das Grundwasser gelangt die Verbindung in Ozeane, wo sie sich als Kalkstein auf dem Meeresboden ablagert und so nachhaltig gebunden ist.Untermauert wird die Hypothese durch Forschungen, die Guillaume Dupont-Nivet mit französischen Kollegen durchgeführt hat. Demnach existiert der asiatische Monsun nicht wie ursprünglich angenommen erst seit 22, sondern seit mindestens 50 Millionen Jahren. „Das entspricht exakt dem Zeitraum, in dem die Klimaabkühlung begann“, betont der Forscher.In drei Untersuchungsgebieten Asiens sammeln die Geoforscher nun Daten, um das dortige Klima der Vergangenheit detailliert zu rekonstruieren. In Tibet, Myanmar und Tadschikistan beproben sie Ablagerungen, die die Ozeane der Urzeit hinterlassen haben, und vermessen die Dicke der Schichten. „Jede einzelne ist ungefähr 1000 Jahre alt“, sagt Guillaume Dupont-Nivet. Das entnommene Gestein und uralte Sediment wird in Potsdam analysiert. Die Wissenschaftler finden darin Pollen, Mineralien, Versteinerungen und Sandkörner, die zwischen 30 und 100 Millionen Jahre alt sind. Aus einer dieser Schichten stammt auch das Austern-Fossil auf dem Schreibtisch im Potsdamer Büro. Das Meer, in dem die Molluske einst lebte, ist längst verschwunden. Heute sind dort Berge. Der Meeresboden hob sich und mit ihm die Auster, die nun der Wissenschaft dient. Aus der chemischen Zusammensetzung der einzelnen Schalenschichten lässt sich ableiten, welche Temperaturen zu jener Zeit herrschten.Die Rückschlüsse, die die Wissenschaftler aus ihren Untersuchungen ziehen, gehen noch weiter und versprechen Antworten auf viel detailliertere Fragen: Wie stark waren die Monsune im Winter und im Sommer? Wie kräftig blies der Wind? Wie veränderte sich die Umwelt? Die Forscher rekonstruieren auch, wann und wo sich Meere bildeten und wieder verschwanden. Denn die Wasserflächen und Landmassen haben einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung der Monsune.
Am Ende soll ein Klimamodell stehen, an dem die Wissenschaftler ebenfalls arbeiten. „Die Daten und das Modell zusammenzubringen, ist eine der größten Herausforderungen des Projekts“, sagt Guillaume Dupont-Nivet. Seine Forschung ist auch für die Gegenwart von großer Relevanz. „In 150 Jahren werden wir ähnliche Verhältnisse wie vor 50 Millionen Jahren haben“, betont er. Dann wird der Kohlenstoffdioxidgehalt in der Atmosphäre wohl ähnlich hoch liegen wie zu Zeiten der Dinosaurier – mit allen Konsequenzen.
Die hier vorgestellte Forschung ist verbunden mit der Forschungsinitiative NEXUS: Earth Surface Dynamics, die unterschiedlichste wissenschaftliche Aktivitäten der Region Berlin-Brandenburg aus dem Themenfeld Dynamik der Erdoberfläche bündelt. Die Universität Potsdam (UP), gemeinsam mit ihren Partnern des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), des Alfred-Wegener-Instituts für Polar und Meeresforschung (AWI) sowie mit Partnern des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), des Naturkundemuseums Berlin (MfN) und der Technischen Universität Berlin (TUB) verbindet hierzu die herausragende Expertise in den Geo-, Bio, Klima- und Datenwissenschaften.
Text: Heike Kampe
Online gestellt: Daniela Großmann
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