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Bis unter die Oberfläche - Die Universität Potsdam beteiligt sich mit einem interdisziplinären Antrag in den Geo-, Bio- und Klimawissenschaften an der Exzellenzstrategie

Im Himalaya. Foto: Bodo Bookhagen.
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Im Himalaya. Foto: Bodo Bookhagen.

Die Erdoberfläche ist Lebensraum der meisten Pflanzen, Tiere und Menschen des Planeten. Hier finden sich die Ressourcen, die Leben überhaupt erst ermöglichen. Doch wie geologische, biologische und klimatische Prozesse die Erdoberfläche beeinflussen und gestalten, ist bislang allenfalls in Ansätzen klar. Wissenschaftler der Universität Potsdam wollen deshalb gemeinsam mit Partnern anderer Forschungseinrichtungen diese Dynamiken so untersuchen, wie sie wirken: im komplexen Miteinander. Dafür beantragen sie ein Exzellenzcluster in der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern.

Irgendwo in den östlichen Anden bebt die Erde. Es folgt ein Bergsturz, Unmengen Gestein rutschen hangabwärts. Für die Potsdamer Wissenschaftler ist es das Signal zum Aufbruch ins Feld, das von nun an ihr „Observatorium“ sein wird. Vor Ort vermessen Geologen mit neuesten Technologien die Ausmaße des Ereignisses und bestimmen das abgegangene Material; Biologen analysieren seinen mikrobiologischen Zustand; Klimaforscher erfassen die hiesigen Wetter- und Klimabedingungen. Der Moment des Bergsturzes ist die Stunde null ihres Experiments. Fortan halten sie – über Monate, ja Jahre hinweg – alles fest, was hier geschieht. Zugleich schauen die Wissenschaftler dank der Analyse von Sedimentproben auch in die weit zurückliegende Geschichte des „Observatoriums“, um den Prozess mit früheren vergleichen zu können. Schließlich verknüpfen sie die Beobachtungen in größten und kleinsten räumlichen und zeitlichen Dimensionen mithilfe moderner Datenwissenschaften miteinander, um zu verstehen, wie all dies zusammenwirkt.
So könnte die Arbeit der Wissenschaftler im zukünftigen Cluster „Delta-Earth“ aussehen, wenn der Antrag Erfolg hat. Einer der Köpfe hinter dem Vorhaben ist Bodo Bookhagen, Professor für Angewandte Fernerkundung am Institut für Erd- und Umweltwissenschaften. „Erdbeben, Bergstürze, Fluten, Waldbrände: Die Erdoberfläche wird geformt durch ein Zusammenspiel von Kräften, das vor allem in solchen Ereignissen eindrucksvoll zutage tritt“, erklärt der Forscher. „Doch deren Ursachen und Folgen sind erst über viel längere Zeiträume und in ganz verschiedenen Zusammenhängen erkennbar.“
Wie bei der letzten Eiszeit in Europa. Als diese sich vor rund 20.000 Jahren ihrem Ende zuneigte, setzte eine Entwicklung ein, die den ganzen Kontinent verändern sollte: Mit den steigenden Temperaturen schmolz das Eis, der Meeresspiegel stieg an und schuf neue Küstenregionen. Vom gewaltigen Gewicht der Gletscher befreit, „sprang“ die Erdkruste nach oben – und verursacht sogar heute noch Erdbeben in Skandinavien. Überall gab das zurückweichende Eis bis dahin gefrorene Böden frei und machte Platz für neues Leben. Letztlich ist die heutige Verteilung von Pflanzen- und Tierarten in Mitteleuropa von diesem Vorgang geprägt.
Bislang wurden solche Prozesse und Ereignisse stets mit dem Blick einzelner Disziplinen untersucht. Doch nun haben sich Geowissenschaftler, Biologen und Klimaforscher der Uni Potsdam, der TU Berlin, des HPI, des GFZ, des AWI, des Museums für Naturkunde in Berlin und des PIK zusammengetan, um der Komplexität gerecht zu werden. „Die Idee für den Exzellenzcluster kommt zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Bookhagen. „Die Bereitschaft, in andere räumliche und zeitliche Dimensionen zu schauen, musste erst wachsen. Das Zusammenspiel von Geowissenschaftlern, die Satelliten- und Feldmessungen kombinieren, um die Transportprozesse auf der Erde zu messen, und Biologen, die in Sedimentkernen nach Spuren von Leben suchen – das ist noch relativ neu.“
Daneben hat erst die technische Entwicklung der letzten Jahre Möglichkeiten für ein solch interdisziplinäres Vorgehen eröffnet: durch die Analyse uralter DNA, die Fernerkundung mit LiDAR, Drohnen und Satelliten oder Synchrotronmessungen von Bakterien und deren Zersetzung von Mineralen auf Nanometerskalen, aber auch die Analyse von Umweltdaten mit Methoden der komplexen Netzwerke.
In Potsdam komme schon jetzt beides zusammen, findet Bodo Bookhagen: „Die Infrastruktur vor Ort ist weltweit einzigartig. Und die enge Zusammenarbeit der hiesigen Geo-, Bio- und Klimawissenschaften mit den Informations- und Datenwissenschaften, auf der wir aufbauen können, gibt es nirgendwo sonst in Deutschland.“

Die hier vorgestellte Forschung ist verbunden mit der Forschungsinitiative NEXUS: Earth Surface Dynamics, die unterschiedlichste wissenschaftliche Aktivitäten der Region Berlin-Brandenburg aus dem Themenfeld Dynamik der Erdoberfläche bündelt. Die Universität Potsdam (UP), gemeinsam mit ihren Partnern des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), des Alfred-Wegener-Instituts für Polar und Meeresforschung (AWI) sowie mit Partnern des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), des Naturkundemuseums Berlin (MfN) und der Technischen Universität Berlin (TUB) verbindet hierzu die herausragende Expertise in den Geo-, Bio, Klima- und Datenwissenschaften.

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Daniela Großmann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde