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Tradition mit Chance auf Zukunft – Humboldt-Stipendiatin erforscht Jüdisches Staatstheater in Bukarest

Foto. Thomas Roese
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Humboldtstipendiatin Prof. Dr. Corina L. Petrescu erforscht mithilfe des Nachlasses des jiddischen Dichters und Theaterdramaturgen Israil Bercovici das Repertoire des Jüdischen Staatstheaters Bukarest. Foto. Thomas Roese

Vor Prof. Dr. Corina L. Petrescu liegen zahlreiche lose Dokumente, Briefe, Lebensdokumentationen, Manuskripte, vor allem in jiddischer und rumänischer Sprache. Das Material, das sie sorgfältig sichtet, gehört zum Nachlass von Israil Bercovici, der vor nunmehr 20 Jahren von der Universität Potsdam erworben wurde. Für die Germanistin von der University of Mississippi, die derzeit als Humboldt-Stipendiatin bei apl. Prof. Dr. Christoph Schulte im Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft zu Gast ist, stellen die Unterlagen einen unschätzbaren Fundus dar. Erlaubt er doch Einblicke in den zeitgenössischen Alltag der Juden im Bukarest der Nachkriegsjahrzehnte und zugleich in eine osteuropäisch-jiddische Lebenswelt, die es so nicht mehr gibt. Petrescus Projekt, in dem die Geschichte des Jüdischen Staatstheaters in Bukarest im Mittelpunkt steht, führt zurück in jene Zeit, aber nicht nur.

Ein Büro hat die Wissenschaftlerin an der Universität nicht. Kommt sie aus Berlin nach Potsdam, arbeitet sie in der Universitätsbibliothek. Ihren Tagesrhythmus bestimmt das aktuelle Archivmaterial. Das Projekt, an dem Petrescu arbeitet, konzentriert sich auf das Bukarester Jüdische Theater als staatliche Institution. Damit schlägt es den Bogen von 1948 bis in die Gegenwart. „Natürlich habe ich aber auch die Situation des Theaters in der Kriegszeit und in den Übergangsjahren im Blick“, erklärt Petrescu ihren Ansatz. Schon hier sei sie auf Fragen gestoßen, denen sie unbedingt weiter nachgehen möchte. Wieso durften jüdische Schauspieler, die zuvor in rumänischen Ensembles mitgewirkt hatten, während des Krieges weitgehend auf dieser Bühne stehen, während jüdische Darsteller, die aus jüdischen Ensembles stammten und auf Jiddisch gespielt hatten, nach Transnistria abtransportiert wurden? Lag es bei Letzteren daran, dass sie nicht die rumänische Staatsbürgerschaft besaßen? Die meisten von ihnen waren schließlich außerhalb des rumänischen Königreiches – in seinen vor dem Ersten Weltkrieg bestehenden Grenzen – geboren. „Ich habe dafür noch keine schlüssige Erklärung gefunden“, so die gebürtige Rumänin. Sie hofft, in Potsdam, spätestens aber im Bukarester Archiv der ehemaligen Geheimpolizei, darüber mehr zu erfahren. „Vielleicht gibt es Dokumente, die erklären, wieso damals so vorgegangen wurde.“

Zwei bedeutende Männer haben später das Theater geprägt: Israil Bercovici als langjähriger künstlerischer Leiter und Chefdramaturg sowie der in Wien geborene Franz Josef Auerbach als Direktor. Der jiddische Dichter und der Regisseur mit Hang zur deutschen Dramatik schafften es, eine kulturelle Einrichtung zu etablieren, in der ausschließlich auf Jiddisch agiert wurde. Zumindest bis in die frühen 1970er-Jahre. Dann mussten Bercovici, der inzwischen längst seine private Sammlung zur Geschichte der jüdischen Kultur angelegt hatte, und sein Team reagieren. Denn das Publikum verstand immer seltener Jiddisch. Zunächst gab es deshalb Simultanübersetzungen per Kopfhörer, heute erscheint der rumänische Text hoch über den Köpfen der Akteure auf einer Leinwand. Doch auch das geschieht kaum noch. Von den 31 Stücken der letzten Saison wurden lediglich sieben auf Jiddisch gezeigt.

Petrescu ist dennoch optimistisch, dass das Theater eine Zukunft besitzt. Vorausgesetzt, es bleibt seinen Wurzeln treu: Jiddisches Theater ist ausgeprägt experimentell. „Wenn man das weiterentwickelt, dann spielt es auch in den kommenden Jahrzehnten eine wichtig Rolle“, betont die Forscherin. „Das muss nicht alles unbedingt über die Sprache laufen.“

In Potsdam weilt Petrescu bereits zum zweiten Mal. Damals, im Sommer 2014, habe sie für sich noch nicht die richtige Methode gefunden, sich der Bercovici-Sammlung zu nähern, sagt sie. Inzwischen klappe das jedoch sehr gut: „Ich konzentriere mich auf ausgewählte Theaterstücke in verschiedenen Spielzeiten und schaue, welche Materialien es dazu gibt.“ Vor allem interessiert die Germanistin, ob jiddische Übersetzungen der Stücke existieren. „Dass es diese zum Beispiel für die Dreigroschenoper gibt, war für mich eine große Entdeckung.“

Ende Juli wird Petrescu in die USA zurückkehren. Ihre Heimat-Universität in den USA braucht sie. Und ihr 15-jähriger Sohn auch. Aber sie will 2018 unbedingt wiederkommen, um ihr Projekt fortzusetzen. Potsdam hat sie neugierig gemacht.

Text: Petra Görlich
Online gestellt von: Daniela Großmann
Kontakt zur Onlineredaktion: onlineredaktionuni-potsdamde 

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