Seine Arbeit führt Emmanuel Nuesiri derzeit des Öfteren in den Wald. Dabei ist er weder Förster noch Biologe, auch kein Waldarbeiter. Nuesiri ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich mit Klima- und Umweltpolitik, genauer: der Diskrepanz zwischen Politik in Gestalt von Gesetzen und ihrer Umsetzung dort, wo sie wirken soll. Konkret untersucht der Forscher, der derzeit als BRAIN-Stipendiat bei Prof. Dr. Harald Fuhr zu Gast ist, die Waldpolitik afrikanischer Staaten. Weltweit soll eine auf Dezentralisierung ausgerichtete Umweltpolitik dabei helfen, die Bedürfnisse der Menschen, die in bedrohten Naturräumen leben, bei der Ausgestaltung der Politik einzubeziehen. Denn nur dann lassen sich diese wirksam schützen.
Mich interessiert, wie die Politik auf das Leben der Menschen einwirkt, und ob und wie sie die Politik beeinflussen können, von der sie unmittelbar betroffen sind“, sagt Emmanuel Nuesiri. Seit den 1990er Jahren haben viele afrikanische Staaten begonnen, ihre Umweltpolitik – offiziell – zu dezentralisieren, weil internationale Geldgeber dies zur Bedingung für ihr Engagement in Umweltprojekten machten. Der Politikwissenschaftler versucht herauszufinden, ob der Umschwung auf dem Gesetzespapier auch lokale Wurzeln hat.
Nuesiris eigene Wurzeln liegen ebenfalls auf dem afrikanischen Kontinent, in Kamerun. Und auch seine Beschäftigung mit Umweltpolitik, von der globalen bis zur lokalen Ebene, ist lange gewachsen. Nach einem Studium der Umweltwissenschaften und Geologie an der Universität von Buea war er zwei Jahre lang Trainee in einem deutsch-britisch finanzierten Walderhaltungsprojekt am Kamerunberg – eine Region, zu der er bis heute forscht. „Politikforschung braucht einen langen Atem“, sagt Nuesiri. „Weil sie Prozesse begleitet, die eigentlich nie aufhören.“
Seine Suche nach einem Masterstudiengang, der seinem Interesse an der Verbindung von Umwelt und Politik entsprach, führte ihn schließlich nach Cambridge. Ein spannender Schritt sei es gewesen, nicht zuletzt weil er plötzlich Kurse von Wissenschaftlern besuchte, die er bislang vor allem aus Artikeln und Büchern kannte. Der Wechsel zurück ins „Feld“ war indes nie weit weg. Nach dem Abschluss seiner Masterarbeit arbeitete er bei „Fauna & Flora International“, eine Nichtregierungsorganisation, die weltweit Konservierungsprojekte durchfuhrt, als Berater – für Vorhaben in Kamerun und Nigeria. Doch Nuesiri war schon während des Masterstudiums klar geworden, dass sein Herz für die Wissenschaft schlägt. „Ich hatte mich in einer Forschungsarbeit mit dem Engagement von Shell in Gabun beschäftigt“, erinnert er sich. „Shell beteiligte sich damals an einem Biodiversitätsprojekt, um sein angeschlagenes Image zu verbessern. Ich war im Shell-Büro in London, sprach mit dem Vizepräsidenten, mit dem Team … Aber als ich mich vor Ort umsehen wollte, war plötzlich niemand mehr bereit, mir zu helfen. Da dachte ich: Das ist mein Feld, dort kann ich etwas bewegen!“
Dank eines Stipendiums konnte er in Oxford promovieren – über die Politik Kameruns zur Walderhaltung. Mehr als zwei Jahre verbrachte er im „Feld“, sprach mit politischen Entscheidungsträgern, NGOs, Beratern, Menschen vor Ort. Der Umweltpolitik der afrikanischen Staaten stellt Nuesiri ein mäßiges Zeugnis aus: „Ich will nicht pessimistisch sein. Aber das Beste, was ich sagen kann, ist: Den Regierungen fallt es noch schwer, mit lokalen Gruppen ins Gespräch zu kommen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen, ihnen zuzuhören.“ Doch genau dieser Umstand sei Antrieb für seine Arbeit. „Mitunter kann meine Forschung dort, wo sie selbst nicht zu Wort kommen, den Menschen Gehör verschaffen.“
Nach der Promotion folgte Emmanuel Nuesiri 2011 seiner Frau, die er während des Studiums in Kamerun kennengelernt hatte, in die USA. An der Universität von Illinois bot sich ihm die Chance, als Teil eines weltweit tätigen Forschernetzwerkes die Waldpolitik von zwölf afrikanischen Staaten unter die Lupe zu nehmen. Seit Anfang 2015 setzt er seine Forschungen als BRAIN-Stipendiat fort – zu Gast in der WiSo-Fakultät am Lehrstuhl für Internationale Politik. Denn dort forscht Prof. Fuhr seit vielen Jahren nicht nur im Bereich der internationalen Klima- und Umweltpolitik, sondern auch zu den weltweiten Bemühungen um effektiveren Waldschutz.
Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Agnes Bressa
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