Mit einer Wespentaille wie Heidi Klum lässt sich auch im Büro Staat machen – und zudem mehr Geld verdienen. Frauen mit Topmodel-Maßen bekommen ein höheres Gehalt als ihre etwas fülligeren Kolleginnen. Das ist das Resultat einer Studie des Ökonomen Prof. Dr. Marco Caliendo von der Universität Potsdam und seines Kollegen Markus Gehrsitz von der City University of New York.
Für die Arbeitsmarkt-Forscher war vor allem überraschend, dass nicht nur übergewichtige Frauen von ihren Chefs finanziell schlechter gestellt werden, sondern auch normalgewichtige. Beide lagen bis zu zwölf Prozent unter dem Einkommen der Superschlanken. Wie die Studie zeigt, gehen mit steigendem Gewicht die Verdienstchancen stetig bergab. Dass dies auf gesundheitliche Effekte zurückzuführen ist, schließen die Wissenschaftler aus, zumal sie den Gesundheitszustand der Befragten bei ihrer Analyse ebenfalls berücksichtigten.
Ein Body-Maß-Index (BMI) von 21,5 scheint dem förderungswürdigen Schönheitsideal der Arbeitgeber am meisten zu entsprechen. Den BMI, der als Kriterium für Über-, Unter- oder Normalgewicht gilt, verglichen die Forscher mit dem Einkommen und dem ausgeübten Job der Probanden. Ihr Ergebnis: Am besten verdienen Frauen mit einem BMI von 21,5. Dieser Idealwert würde bei einer Körpergröße von 1,70 Metern in etwa einem Gewicht von 62,5 Kilogramm entsprechen. Das ist weit unter der Schwelle zum Übergewicht. Ist das Büro also ein Laufsteg, auf dem die Pfunde über die Karriere entscheiden?
Marco Caliendo, seit Oktober 2011 Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Potsdam, bejaht und räumt zugleich ein, dass in einer Folgeuntersuchung auch die Betriebe und das Arbeitsumfeld näher betrachtet werden müssten. Zumeist gelte der „Schlankheitsbonus“ für Arbeitsplätze mit Kundenkontakt, also zum Beispiel in der Gastronomie, im Vertrieb, im Service – überall dort, wo die Interaktion mit Kunden und Kollegen eine entscheidende Rolle spielt.
In der vorliegenden Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die die beiden Wissenschaftler gerade zur Veröffentlichung eingereicht haben, wurden die Daten von 18.000 Personen ausgewertet. Dabei konnten sie auf das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) zurückgreifen. Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung, die bereits seit 30 Jahren läuft. Im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin werden jedes Jahr etwa 22.000 Personen in 12.000 Haushalten quer durch Deutschland von TNS Infratest Sozialforschung befragt. Die Daten geben Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit. Weil jedes Mal die gleichen Personen angesprochen werden, können langfristige soziale und gesellschaftliche Trends besonders gut verfolgt werden. Die Erhebungen zum Thema Gesundheit gibt es seit 2002 und die Daten dafür werden alle zwei Jahre abgefragt. Sie lassen auch Rückschlüsse auf Diskriminierung zu, die es aufgrund von Alter, Geschlecht oder Hautfarbe häufig gibt. Ein großes Thema – gerade für Arbeitsmarktforscher wie Marco Caliendo. Doch in seiner jetzigen Studie, in der er Daten von 2002, 2004, 2006 und 2008 ausgewertet hat, bleiben solche gravierenden Benachteiligungen, die auch vom Gesetzgeber geahndet werden müssen, außen vor. Beim Zusammenhang von Karriere und Gewicht stehen die persönlichen Eigenschaften im Fokus, mit denen man gut oder weniger gut auf dem Arbeitsmarkt abschneidet. „Der Lohn hängt von verschiedenen Charakteristika ab, vom Stand der Bildung, der Arbeitserfahrung oder der Region, in der man lebt. Wir wissen auch, dass Persönlichkeiten, die sehr offen und extrovertiert sind, bessere Chancen auf einen Job haben als introvertierte. Der BMI, dem wir uns jetzt gewidmet haben, ist nur ein kleiner Faktor.“ Dennoch ist er höchst spannend. Denn welchen Einfluss das Gewicht auf die Karriere hat, stand nur selten im Fokus der Forschung.
Und wie ist Caliendo darauf gestoßen? „In der amerikanischen Literatur gab es Artikel, die darauf hinwiesen, dass Schönheit auf dem Arbeitsmarkt Erfolg bringt und übergewichtige Menschen benachteiligt sind.“ Der 40-jährige Wissenschaftler wollte es genauer wissen. Und nach der akribischen Auswertung aller Daten kann er nun in seinem IZA-Diskussionspapier „Obesity and the Labor Market: A Fresh Look at the Weight Penalty“ auf Fakten verweisen, die eindeutig sind. Auf einer der aussagekräftigsten Grafiken geht die Einkommens-Kurve bei Frauen ganz steil nach oben: eben bis zu einem BMI von 21,5. Ein Wert, der nach gesellschaftlichen Standards als attraktiv gilt. Danach fällt die Kurve sofort wieder ab. Die Differenz zwischen dem Einkommen der Normal- und Übergewichtigen ist also keineswegs so gravierend wie angenommen. Fettleibigkeit gilt zwar gemeinhin als Karrierekiller, doch der Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Verdienstchancen ist differenzierter zu betrachten – wie das IZA-Papier zeigt. Was zählt, ist Schlankheit. Schon Normalgewichtige bleiben – jedenfalls in Dienstleistungsberufen – finanziell zurück.
Natürlich enthält die Studie auch für die Männer eine Auswertung nach Größe, Gewicht und Verdienst. Eine Zeitung fasste deren Ergebnis im Titel zusammen: „Dicker Bauch, dickes Gehalt“. Marco Caliendo, selbst sportlich und schlank, lächelt hinter seinem Schreibtisch. „Ganz so ist es nicht“, sagt der Familienvater von zwei Kindern, der sich mit Fußball und Joggen fit hält. In seinem Job würde ihm ein hohes Gewicht wohl nichts nützen, obwohl Übergewicht bei Männern gesellschaftlich eher akzeptiert und in der Literatur auch oft mit einem gewissen Status assoziiert wird. Letztlich sei aber bei Männern keine Verbindung zwischen Gewicht und Gehalt nachzuweisen. Jedenfalls nicht in den Büroberufen. Seine Studie habe indes gezeigt, dass gewichtige Männer in physisch anstrengenden Berufen bessere Chancen hätten. „Männer, die weniger Kraft haben, erhalten dort auch weniger Lohn. Wir haben herausgefunden, dass untergewichtige Männer bis zu acht Prozent weniger verdienen als normal- und übergewichtige“, so der Wirtschaftsforscher. Das gelte aber eben nur für Arbeiter in der Produktion. Vermutlich hängt das mit der Muskelmasse zusammen, die für körperliche Arbeit wichtig ist. „Und die wurde im SOEP auch gemessen.“ Es gebe mechanische Geräte, so Caliendo, die man einfach mit den Händen zusammendrücke: „Über diesen Druck misst man die Körperkraft.“ Für Betriebe also ein leichtes Spiel beim Erkennen muskelschwerer Männer. Und die verdienen am meisten bei einem BMI von 23 bis weit in den übergewichtigen Bereich hinein, während Untergewichtige mit einem Lohnabschlag rechnen müssen.
Im Gesamtergebnis zeigte sich also bei Männern ein Kraft- und bei Frauen ein Schlankheitsbonus. „Bei den Frauen bin ich von einem klaren Übergewichtsmalus ausgegangen. Aber das hat sich so nicht ganz bestätigt. Es gibt nur diesen Schlankheitsbonus“, so Caliendo. Auch wenn die physische Attraktivität nachweislich Einfluss auf den Verdienst hat, lässt sich daraus nicht ableiten, dass jemand aufgrund seiner Körpermaße einen Job bekommt oder nicht.
Könnte diese Studie dennoch zu einer zusätzlichen Verunsicherung für übergewichtige Frauen führen? „Ich sehe nach diesen Ergebnissen keine Diskriminierung übergewichtiger Frauen. Aber in einer vorangegangenen Studie, in der wir auf arbeitslose Männer und Frauen geschaut haben, stellten wir fest, dass übergewichtige Frauen sich selbst geringer einschätzen. Sie verlangen bei Einstellungsgesprächen von vornherein weniger Lohn. Bei Männern gab es da keine signifikanten Unterschiede.“ Allerdings: Auch wenn die Forscher den Schlankheitsbonus in Daten erfasst haben, können sie bislang nicht sagen, warum das so ist. Wie kommt dieser Bonus zustande? „Dazu benötigen wir weitere Fakten, vor allem verlässliche Informationen von der Arbeitsumgebung. Dafür aber sind die Daten vom Sozio-oekonomischen Panel nicht ausreichend“, erklärt der Wirtschaftsforscher. Man müsse also sehr viel kontrollieren, um weitere treffende Aussagen zu erhalten. Belegt sind bislang lediglich zwei: Kräftige Männer verdienen in der Produktion besser, schlanke Frauen im Dienstleistungsbereich. Mit einer Figur wie Heidi Klum hätte man allerdings wohl doch nicht so gute Karten: Sie liegt mit einem BMI von 18 unter den gewünschten Maßen.
Der Wissenschaftler
Prof. Dr. Marco Caliendo studierte Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität Frankfurt und der University of Manchester. Seit 2011 ist er Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Potsdam und am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn als Programmdirektor für den Bereich „Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen“ zuständig.
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Text: Heidi Jäger, Online gestellt: Agnes Bressa
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