Ihr Privatleben wird gern und häufig in der Boulevardpresse ausgebreitet. Doch Caroline von Monaco, seit 1999 Caroline Prinzessin von Hannover, geht seit den 1990er Jahren konsequent gegen die Medien vor und wehrt sich gegen die Veröffentlichung von Papparazzi-Fotos. Für ihr Recht auf Privatsphäre zog sie bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. 2004 fällte die Institution ein Urteil, das Caroline in vielen Punkten Recht gab und die Presse erheblich einschränkte. Wie weit reichen die Rechte der Öffentlichkeit, über das Privatleben prominenter Persönlichkeiten informiert zu werden? Ab wann werden durch die Offenlegung intimer Details Rechte verletzt? Der Spagat zwischen Persönlichkeitsrechten und der Pressefreiheit wird gerade im Fall Carolines deutlich, deren juristischer Feldzug in einer Reihe von Urteilen mündete, die als sogenannte Caroline-Urteile Einzug in die Rechtsgeschichte hielten. An der Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht beschäftigen sich Juristen seit etwa zehn Jahren mit diesen und ähnlichen Fragen. Die drei Professoren Tobias Lettl, Wolfgang Mitsch und Christian Czychowski bündeln hier ihre medien- und wirtschaftsrechtlichen Kompetenzen.
„Das Medienrecht ist eigentlich kein eigenes Rechtsgebiet, sondern eher ein Querschnitt aus vielen Bereichen“, erklärt Tobias Lettl, Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht. Ob Strafrecht, Wettbewerbsrecht, Kartellrecht oder Urheberrecht – alle diese Rechtsgebiete haben Bezüge zum Medienrecht. Das Kartellrecht muss etwa darüber entscheiden, ob die Fusion zweier Verlage den Wettbewerb im Bereich der Medien gefährdet. Ob eine Anzeige in einer Zeitung deutlich genug als solche gekennzeichnet ist, ist eine Frage des Wettbewerbsrechts. Die Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht ist die Schnittstelle, an der die Fäden der einzelnen juristischen Forschungsgebiete zusammenlaufen. „Hier bietet sich die Möglichkeit, interdisziplinär mit Kollegen aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenzuarbeiten – das gibt es meines Wissens so kaum in Deutschland“, verdeutlicht Honorarprofessor Christian Czychowski.
An der Juristischen Fakultät hat das Medienrecht eine gewisse Tradition. „Angesichts der Nähe zur Medienstadt Babelsberg und zu den Filmstudios lag schon immer ein besonderes Augenmerk auf dem Medienrecht“, erklärt Tobias Lettl. „Dieser Bereich ist in der Ausbildung ein Schwerpunkt.“ In den Vorlesungen – etwa zum Wettbewerbs-, Kartell- oder Urheberrecht – werden häufig auch medienrelevante Themen behandelt. Zum Studieninhalt gehören ebenso Grundlagen des Medienrechts, das Medienstrafrecht und das Europäische Medienrecht. „Das wird mittlerweile immer wichtiger, weil die Vorgaben aus dem europäischen Kontext auch auf das deutsche Recht ausstrahlen“, verdeutlicht Tobias Lettl.
„Durch die Existenz der Forschungsstelle werden diese Fächer und Fachgebiete im Schwerpunktbereich angeboten und von den Studierenden auch nachgefragt“, erläutert Wolfgang Mitsch, Professor für Strafrecht mit Jugendstrafrecht und Kriminologie. Sein Spezialgebiet ist das Medienstrafrecht. „Das ist ein relativ junges Teilgebiet des Medienrechts, das aber immer mehr an Attraktivität gewinnt“, betont der Wissenschaftler, der ein Lehrbuch zu diesem Fach im Jahr 2012 verfasst hat – es ist das erste auf dem Markt.
Tobias Lettl spricht von „forschungsbasierter Lehre“ wenn er die Aktivitäten rund um die Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht beschreibt. Was das genau bedeutet, erklärt Christian Czychowski. In einem Seminar ließ er seine Studierenden die Frage bearbeiten, ob die Meister am Staatlichen Bauhaus in den 1920er und 1930er Jahren dem Bauhaus Nutzungsrechte vermachten oder nicht. Wäre dies der Fall, hätte etwa die Stadt Dessau als betreibende Institution Nutzungsrechte für zahlreiche bedeutende Designermöbel wie etwa die Sessel von Marcel Breuer. „Das ist eine rechtsgeschichtliche Frage, die aber unmittelbare Auswirkungen auf unsere heutige Zeit hat“, erklärt Czychowski. Was sind Urheberrechte, was Nutzungsrechte – nachdem diese grundlegenden Fragen in der Vorlesung geklärt waren, begannen die Studierenden mit der Forschung. „Dazu muss man sich zunächst einmal in die Archive begeben“, erläutert Czychowski. „Was steht in den Verträgen, was steht in den Korrespondenzen?“ Antworten auf diese Fragen werden in mühsamer Kleinarbeit in staubigen Akten und Dokumenten gefunden. In den Abschlussarbeiten formulieren die Studierenden nun ihre Ergebnisse.
Neben diesen historischen Fragen kann gerade das Medienrecht Themen bieten, die bisher wissenschaftlich kaum erörtert wurden. „Die Übertragung von Fernsehrechten an Sportveranstaltungen ist so ein Thema, zu dem kaum etwas veröffentlicht ist“, beschreibt Tobias Lettl die aktuelle Situation. Wie kann auf der Grundlage des geltenden Rechts entschieden werden, wer die Übertragungsrechte bekommt? Welche Rechte haben der Veranstalter, die Zuschauer und der Verband? Auch mit den begrenzten Zuschauerplätzen im NSU-Prozess beschäftigen sich Medienrechtler. „Das ist im Moment überhaupt nicht gesetzlich geregelt“, sagt Wolfgang Mitsch. Das Beispiel zeige jedoch, dass ein starkes Bedürfnis nach einer solchen Regelung besteht. Als juristisch forschender Wissenschaftler stelle sich ihm die Frage, wie diese aussehen könnte.
Um solche Fragestellungen zu bearbeiten, nehmen Juristen die Gesetzbücher zur Hand, überprüfen jeden einzelnen Tatbestand und suchen nach Gesetzen, die auf die entsprechende Problemlage zutreffen. Betreten sie komplettes Neuland, wagen sie auch den Blick über den Tellerrand – wie sieht es in anderen Ländern aus? Gibt es dort bereits entsprechende Regelungen und haben sich diese bewährt? „Der Output einer solchen Forschung sind dann meist Publikationen, die einem breiten Fachpublikum vorgelegt und diskutiert werden“, erklärt Wolfgang Mitsch.
Unter dem Dach der Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht sind mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Publikationen entstanden. Zusätzlich zur eigenen Forschung betreuen die Wissenschaftler Doktoranden zu medien- und wirtschaftsrechtlichen Themen. Bisher wurden mehr als 20 Dissertationen mit entsprechendem Bezug abgeschlossen. Zweimal im Jahr finden zudem Vorträge statt, die sich sowohl an Studierende als auch an das interessierte Fachpublikum richten. Der damalige Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, zählte bereits ebenso zu den Referenten wie der damalige Vorsitzende Richter des Bundesgerichtshofs, Joachim Bornkamm.
In Zukunft soll das Team der Forschungsstelle noch erweitert werden: „Wir wollen unsere Fühler auch ins öffentliche Recht ausstrecken und Kollegen gewinnen, die sich medienrechtlich einbringen können“, so Tobias Lettl. Auch eine eigene Schriftenreihe planen die Forscher, um ihre Forschungsthemen aufzubereiten und einem breiteren Publikum verfügbar zu machen.
Die 'Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht
Seit mehr als zehn Jahren forschen Juristen unter dem Dach der Forschungsstelle für Medien- und Wirtschaftsrecht vor allem zu Themen mit medienrechtlichem Bezug. Dabei arbeiten die Forscher interdisziplinär und verbinden unterschiedliche Bereiche der Rechtswissenschaften miteinander.
Kontakt
Prof. Dr. Tobias Lettl
Juristische Fakultät
Universität Potsdam
August-Bebel-Str. 89
14482 Potsdam
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Text: Heike Kampe, Online gestellt: Agnes Bressa
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