Nachdem 2014 mit der Neuausrichtung des Forschungsprofils und der Unterzeichnung des Hochschulvertrages mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg wichtige Weichen für die Entwicklung der Universität Potsdam gestellt wurden, folgt nun der nächste Schritt: der universitätsinterne Hochschulentwicklungsplan (HEP) 2014–2018. Für das Universitätsmagazin Portal erklärt Uni-Präsident Prof. Oliver Günther, Ph.D., was ihn auszeichnet. Matthias Zimmermann sprach mit ihm.
Herr Professor Günther, wozu braucht die Universität einen neuen Hochschulentwicklungsplan?
Sechs Jahre nach dem letzten HEP war es an der Zeit, dass sich die Universität eine neue Perspektive gibt. Die institutionellen, finanziellen und auch technischen Rahmenbedingungen für Hochschulen haben sich national wie international erheblich verändert. Der HEP soll dazu dienen, sich in die Augen zu sehen und darüber auszutauschen, wie die Voraussetzungen mit unseren Zielen zusammengebracht werden können.
Welches sind die zentralen Ziele?
Der Titel des HEP bringt es auf den Punkt: „Spitzenforschung und -lehre im Dienst des Landes“. Zum einen braucht das Land Brandenburg Spitzenforschung, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch ganz einfach als Teil unserer Kultur. Dafür müssen hervorragende Wissenschaftler gewonnen werden. Und es gilt, anwendungsorientierte Forschung ebenso zu fördern wie „Blue Sky Research“, also freie Grundlagenforschung, die keinem anderen Zweck dient als dem Erkenntnisgewinn. Forschungsbasierte Spitzenlehre wird an der Universität Potsdam schon länger geleistet. Diese Qualität wollen wir sicherstellen und weiterentwickeln, damit die Studierenden eine bestmögliche Ausbildung erhalten und für ihre berufliche Laufbahn gerüstet sind. Im Dienst des Landes ist nicht zuletzt der Transferbereich aktiv. Sehr erfolgreich übrigens. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft soll weiter ausgebaut werden.
Im Einzelnen: Welche Initiativen gibt es mit Blick auf die Forschung?
Mit der Neuausrichtung unserer Forschungsstrategie wollen wir den Anforderungen international sichtbarer Spitzenforschung Rechnung tragen, die Arbeitsbedingungen für unsere Forscher optimieren und große Verbundprojekte für die Universität gewinnen. Wir haben drei Förderlinien eingerichtet. In der ersten Linie wurden – getreu dem Motto: Stärken stärken – vier universitäre Forschungsschwerpunkte geschaffen, die aus den früheren Profil- und Exzellenzbereichen hervorgegangen sind: Erdwissenschaften, Funktionelle Ökologie und Evolutionsforschung, Kognitionswissenschaften sowie Pflanzengenomforschung und Systembiologie. Daneben gibt es auf Fakultätsebene angesiedelte Forschungsbereiche, derzeit sind dies Funktionale Weiche Materie, Komplexe Systeme sowie Politik, Verwaltung und Management. Die dritte Förderlinie ermöglicht eine flexible Anschubfinanzierung von innovativen Vorhaben. Gerade wurden im Rahmen der Forschungskooperation „Research Center Sanssouci“ (RECS) mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sowie dem Verbund Gesundheitswissenschaften zwei solcher Forschungsinitiativen eingerichtet. Neben dieser Clusterförderung ist aber ebenso Unterstützung für einzelne Wissenschaftler vorgesehen. Es gibt immer ausgezeichnete Forschung außerhalb von Verbünden und solche Individualforscher wollen wir auch weiterhin fördern.
Was soll in Studium und Lehre auf den Weg gebracht werden?
Das Hochschulwesen in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker ausdifferenziert. Als Forschungsuniversität sehen wir uns in der Verantwortung, die Forschungsorientierung auch in der Lehre verstärkt zu reflektieren. Konkret soll dafür das Angebot der Master- und Promotionsstudienplätze ausgebaut werden. Dies passt zu dem Trend, dass immer mehr Bachelorabsolventen einen Masterabschluss anstreben. Weit mehr als noch vor zehn Jahren prognostiziert.
Zugleich ist es erklärtes Ziel, auch in der Breite und trotz der gravierenden Unterfinanzierung das Niveau in der Lehre zu erhalten. Wie ist das zu schaffen?
Dank der erfolgreichen Systemakkreditierung besitzen wir die geeigneten Mittel, um unsere Studiengänge selbst weiterzuentwickeln. Darauf aufbauend wollen wir das bestehende Qualitätsmanagement zu einer „Potsdamer Qualitätskultur“ ausbauen. Ein Beispiel dafür ist das im Dezember 2014 gegründete fakultätsübergreifende Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB), eine bundesweit einmalige Konstruktion. Im ZeLB haben wir Lehrerbildung und Bildungsforschung zusammengeführt, um einerseits besser untersuchen zu können, wie die Schule heute „funktioniert“, und andererseits Forschungsergebnisse der Bildungsforschung direkt wieder in die Ausbildung zukünftiger Lehrer einfließen zu lassen.
Welche Rolle spielt zukünftig der Bereich des E-Learnings?
Langfristig wird sich ein hybrides Modell aus Präsenz- und Onlinelehre durchsetzen. Jede Hochschule, die sich darüber nicht aktiv Gedanken macht, vergibt große Möglichkeiten. Deshalb möchten wir die Lehrenden der Uni Potsdam von zentraler Seite begleiten, ihnen helfen, das für ihre Lehre richtige Modell zu entwickeln, Medien produktiv einzusetzen, Inhalte zu importieren oder zu exportieren.
Mit der Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung dürften sich ganz neue Herausforderungen ergeben. Wie soll ihnen begegnet werden?
Um der Diversität der Studierendenschaft zu entsprechen, werden wir zusätzliche unterstützende Angebote, besonders für die Studieneingangsphase, bereitstellen müssen. Ziel muss sein, nicht nur vielen geeigneten Interessenten ein Studium zu ermöglichen, sondern sie dann auch bestmöglich auszubilden und bis zum Abschluss zu begleiten.
2014 gab es 54 Unternehmensausgründungen aus der Universität heraus. Welche Pläne gibt es für den Transferbereich?
Dieses Niveau an Start-Ups zu halten, ist eine Herausforderung, die wir gerne annehmen. Ausbauen wollen wir auch die Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen, vor allem über den Partnerkreis Industrie und Wirtschaft. Auf diesem Weg können wir nicht zuletzt unseren Studierenden Perspektiven eröffnen und junge, gut ausgebildete Fachkräfte in Brandenburg halten.
Zu den jüngsten Initiativen zählt das „Potsdamer Tenure-Track-Modell“. Welche Vorteile hat es und wie wird es aufgenommen?
Es kommt hervorragend an! Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Form der vorgezogenen Neubesetzung von Strukturstellen. Wir können ohne wesentliche zusätzliche Mittel reizvolle Stellen schaffen, die jungen Wissenschaftlern eine attraktive Perspektive bieten, denn bei guter Arbeit bestehen auch gute Chancen auf eine Lebenszeitstelle. Derzeit prüfen wir bei jeder passenden Stelle, ob das Modell dafür infrage kommt, und bieten es den Fakultäten dann an. Die Akzeptanz ist unabhängig vom Fach sehr gut.
Wie soll die internationale Vernetzung der Universität Potsdam vorangetrieben werden?
Zum einen wollen wir die Zusammenarbeit mit den Schwerpunktregionen, vor allem den strategischen Partnern, verstärken, besonders beim Studierendenaustausch. Zum anderen soll der Anteil der englischsprachigen Master- und Promotionsprogramme erhöht werden, nicht zuletzt, um für ausländische Studierende noch attraktiver zu werden.
Welche weiteren Akzente im HEP sind Ihnen besonders wichtig?
Viel erreicht – aber ebenso viel vor – haben wir beispielsweise im Bereich der Personalentwicklung; wir wollen ein guter Arbeitgeber sein, der seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen des finanziell Möglichen Planungssicherheit gibt. Weitergehen soll es auch im Bereich Alumni und Fundraising, wie etwa die im Sommer 2015 erstmals stattfindende zentrale Verabschiedung der Absolventen zeigt. Nicht zuletzt wird sich die Universität in den nächsten Jahren baulich weiterentwickeln. So soll der Campus Am Neuen Palais bis 2030 westlich der Lindenallee neu gestaltet werden.
Der HEP macht auch deutlich, dass die Voraussetzungen der Universität Potsdam für die derzeitigen Aufgaben und die formulierten Ziele unzureichend sind. Wie lässt sich trotzdem ein ambitionierter Plan formulieren – und angehen?
Darin besteht die Herausforderung eines HEP! Grundsätzlich geht das Papier von konservativen Annahmen aus. So beispielsweise von den im Hochschulvertrag zugesagten Mitteln als finanzielle Untergrenze. Sollte die Landespolitik sich hingegen zu einem weitergehenden finanziellen Engagement entschließen, wäre freilich auch noch deutlich mehr möglich. Das wäre auch gut fürs Land, denn die Hochschulen bringen das Land entscheidend voran.
In der Einleitung des HEP heißt es, die Universität sei ein „intellektueller Kristallisationspunkt“ und „Ort des geistigen und kulturellen Austauschs“. Was ist damit gemeint?
Meine Gegenfrage lautet: Ist eine Universität mehr als nur eine Schule für Erwachsene? Wir sagen: Ja! Sie ist ein Ort, an dem Wissen entsteht – und wo ein kritischer Austausch über Wissen stattfindet. Und zwar nicht nur zwischen Wissenschaftlern und Studierenden, sondern auch mit Bürgerinnen und Bürgern in unseren zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen. So kann die Universität weit über ein kurzfristiges Wirtschaftlichkeitsdenken hinaus zum Gemeinwohl und zum gesellschaftlichen Fortschritt beitragen.
Text: Matthias Zimmermann, Online gestellt: Agnes Bressa
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