Heute führt unsere Reise zur Aalto Universität nach Otaniemi. Die Universität wurde 2010 gegründet als eine Fusion der Helsinki School of Economics, Helsinki University of Technology und der University of Art and Design Helsinki. Aus der Kombination dieser ehemals durchaus unterschiedlichen Einheiten ist in kürzester Zeit ein Ort größter Kreativität und vielfältiger Innovation geworden.
Wir sind mit Mika Pirttivaara, Elina Wanne und Joonas Ahlava von der „Rapid Action Group“ (RAG) verabredet. Sie empfangen uns in der Kantine der Universitätsleitung von Aalto, die nicht nur für Mitglieder der Universität, sondern auch für Externe einer der beliebtesten Treffpunkte für Gedankenaustausch und Diskussionen ist und allen offen steht. Mika, Elina und Joonas sind selbst keine Mitglieder der Universität, aber ihr Netzwerk reicht tief in die Institute und Einrichtungen der Hochschule hinein, und sie wollen es nutzen, um soziale Herausforderungen zu meistern und das Wachstum in Wirtschaft und Wissenschaft zu stimulieren. Sie bezeichnen ihre Firma „Rapid Action Group“ als erstes Parlaments-Startup, weil zu ihren insgesamt 24 Mitgründern auch Abgeordnete des finnischen Parlaments zählen, die sich denselben Werten verpflichtet fühlen und aktiv die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Innovationen mit vorantreiben möchten.
Nach einem langen Gespräch brechen wir zu einer Tour über den Campus auf. Direkt die erste Station zeigt, warum es wichtig ist manchmal Risiken in Kauf zu nehmen und etwas zu investieren, um so später die Früchte dieses Einsatzes ernten zu können. Das heutige Gebäude der „Design Factory“ gehörte schon immer der Universität, stand vorher aber leer und wurde vom Gründungsdirektor und ein paar Studierenden kurzerhand besetzt. Nach diversen Um- und Einbauten bietet es seit der offiziellen Gründung im Jahr 2008 eine europaweit wohl einzigartige universitäre Lern- und Arbeitsumgebung, mit vielfältig nutzbaren Workshop- und Präsentationsräumen, Werkstätten und Laboren, die den Mitgliedern der Universität und beteiligten Partner-Unternehmen offen stehen und für Innovationsprojekte genutzt werden.
Direkt nebenan ist die Universität selber in Vorleistung gegangen und hat 2009 der studentischen Initiative „Aaltoes“ (Aalto Entrepreneurship) ein Gebäude zur Verfügung gestellt, das heute unter dem Namen „Startup Sauna“ weltweites Renommee in der Startup Szene genießt. Obwohl hier mit einem großen Shared Working Space für Unternehmensgründungen von innerhalb und außerhalb der Universität, einem sehr erfolgreichen Accelerator Programm für Gründungen und mittlerweile dem Universitätsumfeld weit entwachsenen Aktivitäten wie dem Austauschprogramm „Startup Life“ und der Konferenz „SLUSH“ eine extrem vielfältige und umfangreiche Struktur entstanden ist, bleibt die Startup Sauna eine rein studentische Initiative. Organisiert als gemeinnütziger Verein, betreibt sie das Gründerzentrum und bietet im Jahr mithilfe von Freiwilligen über 100 Veranstaltungen zum Thema Entrepreneurship an. Teemu Laiho – Schatzmeister von „Aaltoes“, der uns durch die Startup Sauna führt – fasst es so zusammen: „Die Uni lässt uns machen was wir wollen, so lange wir nichts kaputt machen. Mehr Unterstützung brauchen wir nicht.“
Nach einem Abstecher in die „UrbanMill“, die als prototypische Co-working- und Co-creation-Plattform für Innovationen im urbanen Raum dient und ins besondere die Interaktion zwischen öffentlichen Verwaltungen, privaten Unternehmen und der Universität fördert, führt uns Mika noch zu den EIT ICT Labs und zum AppCampus. Dort treffen wir Antti Aarnio – Head of Business Development der Aalto Universität – und Ville Riikkala – Screening Team Lead des „AppCampus“ Accelerator Programms. Antti berichtet uns, dass es neben administrativen Herausforderungen, die auch in einer solch weit gediehenen Innovationskultur wie an der Aalto Universität immer wieder vorkommen, für die Universität ganz selbstverständlich ist, sich an ihren Ausgründungen zu beteiligen. Wie wir es schon in Kopenhagen gesehen haben, geschieht dies durch die Einbringung von geistigem Eigentum und es gibt ein transparentes Standardmodell für diese Form der Zusammenarbeit von Universität und Startups. Ville schlussendlich gibt uns eine Tour durch ein praktisches Beispiel der aktiven Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft, dem unter anderem von Nokia und Microsoft finanzierten und in Kooperation mit dem Aalto Center for Entrepreneurship betriebenen Accelerator Programm „AppCampus“ für innovative App-Entwicklung.
Insgesamt haben wir heute eindrucksvolle Beweise kennenlernen dürfen, wie mit dem konsequenten und mutigen Einsatz von universitären und privaten Mitteln und studentischem Engagement, in kurzer Zeit Multiplikatoreffekte generiert werden, die weit über den ursprünglichen Ressourceneinsatz hinausgehen.
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Text: Wulf Bickenbach,
Online Bearbeitung: Silvana Seppä