Unsere Reise beginnt in Berlin bei starkem Nebel. Mit 90 Minuten Verspätung verpassen wir in Kopenhagen knapp unseren Anschlusszug und sind gezwungen, schon jetzt unseren gut gefüllten Zeitplan anzupassen. Erst am späten Nachmittag treffen wir in Kolding auf Tina Thomsen (Projektleiterin Design City Kolding) und den Head of Design Ulrik Jungerson vom Design-Sekretariat der Kommune Kolding.
In seinem Büro in der Innenstadt erläutern sie uns die Hintergründe, die zur Entstehung der „Design City Kolding“ geführt haben: Kontinuierlicher Bevölkerungsschwund, eine wachsende Kluft zwischen einer starren, von Outsourcing betroffenen öffentlichen Verwaltung und einem durch die Globalisierung zunehmend unter Effizienzdruck geratenen privaten Sektor sowie ein an seine Grenzen stoßendes Sozialsystem. Jungerson beschreibt uns ehrlich und authentisch die schwierige Ausgangssituation. Kolding war vor dem Beginn des „Design City Kolding“-Projekts in 2009/10 eine typische westeuropäische ländliche Stadt, die im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten drohte. Der Zeitpunkt für das neue Stadtentwicklungskonzept war daher günstig: Neben dem hohen Handlungsdruck förderten die Wahl einer starken Persönlichkeit an die Spitze der Stadtregierung sowie die Konzentration wichtiger Designschulen Dänemarks in Kolding die Entscheidung, die Stadt unter der Marke und Philosophie „Design City Kolding“ neu zu erfinden.
Über frühere Verbindungen zur HPI D-School in Potsdam kam man zunächst zum „Design Thinking“ und entwickelte daraus schließlich ein auf die städtische Gemeinde abgestimmtes Design-orientiertes Innovationsmanagement. Dieses wurde – als Alleinstellungsmerkmal in der Region – anschließend auch in die neue Business Development Strategie implementiert.
Innovation, so Jungerson, bedeute für Kolding vor allem Wachstum. So könnten zum Beispiel nachhaltige Karrierewege für Studierende aus dem In- und Ausland geebnet und langfristige Perspektiven für Firmenneugründungen in der Region geschaffen werden. Den Schlüssel zum Erfolg sieht der Head of Design vor allem in der Einfachheit, durch die sich das innovative Prozessmanagement auszeichne. Daneben hätten soziales Mitgefühl, Ehrgeiz, Ausdauer und flache Hierarchien besonders positiven Einfluss auf den Gesamtprozess. Dazu kämen die Aufgeschlossenheit in den Führungsetagen gegenüber einem experimentellen und sehr liberalen Ansatz sowie ein gut strukturiertes Wissensmanagement, das neben einem Guide als Praxiswerkzeug viele interaktive Seminare und Workshops beinhalte.
Das kurzweilige Gespräch mit Tina und Ulrik wirft viele interessante Fragen auf. Doch der Zeitplan drängt und wir machen uns gemeinsam mit Tina auf zur nächsten Station, der „IBC Innovation Factory“. Pressechef Jacob Hille empfängt uns am frühen Abend zu einem Rundgang durch die Räumlichkeiten der modernen Denkfabrik. Die IBC Innovation Factory ist das Ergebnis eines Sanierungsprojektes des Lackherstellers GORI aus dem Jahr 1978. Nach einem Feuer wurde das Gebäude im Geiste der ursprünglichen Fabrik vom Architekturbüro „schmidt hammer lassen“ und in Zusammenarbeit mit dem International Business College (IBC) Kolding entwickelt. Im Sinne einer neuen und offenen Lernumgebung sollen hier Architektur und Design Thinking innovative Denk- und Lernprozesse in Gang bringen. Die auffallend offen gestalteten Räume bestechen durch einmalige Akustik und Raumgestaltung. Im ganzen Gebäude laden teils offene und gemütliche, teils abgelegene und geschützte Sitzmöglichkeiten zum gemeinsamen Verweilen und Ideenaustausch ein. Die verarbeiteten Materialien und Farben erzeugen auf den einzelnen Freiflächen mal ein ruhiges, mal ein lebendiges und dann wieder ein besonders modernes Raumklima, das akustisch durch (echte!) zwitschernde Vögel und sanft rauschendes Wasser unterstützt wird. Auch hier endet die Besichtigung viel zu schnell und wir fahren – mit interessanten Anregungen und etlichen offen gebliebenen Fragen im Gepäck – weiter zu den Büros der Design City Kolding von Bjert Invest.
Obwohl es mittlerweile Abend geworden ist, gesellt sich spontan für einige Minuten noch die Cluster Managerin Thit Juul Madsen (Design to Innovate) zu uns und berichtet von ihrer Arbeit im Design Cluster, der den privaten mit dem öffentlichen Sektor vernetzt. Gemeinsam versuchen wir, die vielen Eindrücke noch einmal zusammenzufassen, und bedanken uns bei Tina für einen eindrucksvollen Tag, bevor wir zu unserem Zug sprinten, der uns noch in dieser Nacht zurück nach Kopenhagen bringt.
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Text: Delegations-Team,
Online Bearbeitung: Silvana Seppä