Zu den neuesten Entwicklungen der modernen Wissenschaft gehört die Synthetische Biologie, die ein riesiges Innovationspotenzial hat. Sie verzahnt viele Disziplinen, wie Biologie, Chemie, Physik, Mathematik, Biotechnologie, Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologie. Von der Vernetzung profitieren sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung. Zu jenen, die sich intensiv mit der Synthetischen Biologie auseinandersetzen, gehört Bernd Müller-Röber, Professor für Molekularbiologie.
Die Synthetische Biologie baut auf den Erkenntnissen und Methoden der Molekularen Biologie auf und entwickelt sie weiter. So verändern die Forscher biologische Systeme und kombinieren sie mit chemisch synthetisierten Komponenten zu neuen Einheiten. Auf diese Weise entstehen bisher in der Natur in dieser Form nicht bekannte biologische Komponenten bis hin zu neuartigen Organismen. Es seien in diesem Zusammenhang wichtige Erkenntnisse zu erwarten, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der acatech und der Leopoldina, „die die Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapieverfahren sowie die Produktion von Industriechemikalien und die Konzentration von katalytischen Prozessen nachhaltig beeinflussen“. Damit sei es auch möglich, Organismen herzustellen, die nur unter kontrollierten Bedingungen überleben können.
Bei weniger Informierten kann der Eindruck entstehen, dass der Biologe zum Designer von Molekülen, Zellen und Organismen wird. Die Realität zeigt, dass „die Forscher derzeit im Labor noch weit davon entfernt sind, so etwas wie künstliche Lebensformen zu erschaffen“, sagt Bernd Müller-Röber. Vielmehr gehe es gegenwärtig um Grundlagenforschung an Mikroorganismen, aber auch um neue Ansätze in der Medizin. So werden künstliche, biochemische Systeme in Lebewesen integriert, die dadurch neue, nutzbringende Eigenschaften erhalten. Entsprechend den biologischen Vorbildern bauen die Wissenschaftler chemische Systeme so auf, dass sie bestimmte Eigenschaften von Lebewesen aufweisen. Was die Zukunft betrifft, so gehe es um biotechnologische Anwendungen, wie verbesserte Diagnosen, Impfstoffe und Medikamente oder um die Entwicklung neuer Biosensoren, Biomaterialien oder Biokraftstoffe.
Neben der Synthetischen Biologie ist die Biotechnologie in aller Munde. Dr. Susanne Hollmann, Koordinatorin des Profilbereiches Pflanzengenomforschung und Systembiologie, sieht zwischen den beiden Begriffen keinen großen Unterschied. Synthetische Biologie sei lediglich ein neuer Begriff für molekularbiologische Methoden, mit dem die Weiterentwicklung der Technologie zum Ausdruck gebracht werde. So sei bereits die Pflanzenzüchtung im weitesten Sinne Synthetische Biologie. „Denn dabei vereint man planmäßig zwei Pflanzen, die natürlicherweise nicht zusammenfinden, und erzwingt somit deren Befruchtung und Fortpflanzung. Dadurch wird ein Genom manipuliert und etwas Neues erschaffen.“ In der Synthetischen Biologie werden bereits mithilfe biotechnologischer Werkzeuge vorhandene Strukturen genutzt, umbaut, zusammengeführt oder verkleinert. Wie bei jeder Wissenschaft können ihre Erkenntnisse natürlich auch missbraucht werden. So gab es Schlagzeilen in den Medien, wie „Wiedergeburt des Neandertalers“. Der amerikanische Molekularbiologe George Church glaubt, mithilfe der Synthetischen Biologie den Neandertaler wieder zum Leben erwecken zu können. Man bräuchte seiner Meinung nach nur eine abenteuerlustige Frau, die sich als Leihmutter zur Verfügung stellt und den Embryo austrägt.
Derartige „Abenteuer“ führen dazu, dass diese Wissenschaftsdisziplin zu jenen Bereichen gehört, die nicht unumstritten sind. Wie bei vielen anderen, so entstehen im Prozess der Forschung neben den wirtschaftlichen Chancen und dem wissenschaftlichen Fortschritt auch nicht vorherzusehende und unbeabsichtigte Folgen. „Unsere Aufgabe als Wissenschaftler besteht darin, Risiken und Chancen abzuschätzen und eine transparente und offene Debatte über unsere Forschungen, deren Ergebnisse und Anwendungen zu führen“, sagt Bernd Müller-Röber“.
Mit ihren Initiativen tragen verschiedene Arbeitsgruppen an der Universität Potsdam und darüber hinaus am Standort Golm entscheidend dazu bei, die Forschungen auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie zum Nutzen der Menschen voranzutreiben. Dazu gehört unter anderem die Arbeit der Nachwuchsgruppe „Synthetic Biosystems“. Auf der Basis von Hefe-Chromosomen entwickeln die Forscher ein neuartiges zelluläres Steuerungselement. Mit dessen Hilfe kann die Produktion von Proteinen und Peptiden kontrolliert durchgeführt werden. Ziel ist die Verwendung dieser Module für die Produktion von sogenannten Multienzymmaschinen etwa für die Herstellung von pharmakologisch interessanten Peptiden, neuen Funktionseinheiten für biotechnologische Verfahren der nächsten Generation oder für die Produktion von Proteinen für In-vitro-Applikationen.
Wichtige Kooperationspartner der Potsdamer Biologen außerhalb Deutschlands sind Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien und Kolumbien. Interessant für ihre Forschungen ist beispielsweise, dass es in Lateinamerika Pflanzen gibt, die in kleinen Mengen Antibiotika-ähnliche Substanzen produzieren. Von großem Nutzen und eine Aufgabe der Synthetischen Biologie ist es zum Beispiel, die Pflanzen so zu verändern, dass sich ihre Biomasse erhöht oder dass sie größere Mengen spezifischer, für die chemische oder pharmazeutische Industrie nutzbare Substanzen herstellen.
Teil dieser Zusammenarbeit der Potsdamer Forscher mit internationalen Kollegen ist etwa der im August dieses Jahres in Potsdam stattfindende Lateinamerika-Deutschland-Workshop „Molecular Interactions – Next Generation Biotechnology“. Dem wissenschaftlichen Nachwuchs wird dann Gelegenheit gegeben, sich über die neuesten Trends, Technologien und analytischen Ansätze in der Biotechnologie zu informieren und Kontakte zu Experten aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Deutschland, Europa und darüber hinaus zu knüpfen.
Die Wissenschaftler
Prof. Dr. Bernd Müller-Röber studierte Biologie und Philosophie in Tübingen, Marburg und Berlin. Seit 2000 ist er Professor für Molekularbiologie an der Universität Potsdam.
Kontakt
Universität Potsdam
Institut für Biochemie und Biologie
Karl-Liebknecht-Str. 24–25, 14476 Potsdam OT Golm
E-Mail: bmruuni-potsdampde
Dr. Susanne Hollmann studierte Chemie und Biochemie an der FU Berlin. Sie ist seit 2006 als Wissenschaftsmanagerin tätig, seit 2009 beim Profilbereich Pflanzengenomforschung und Systembiologie an der Universität Potsdam.
Kontakt
E-Mail: Susanne.Hollmannuuni-potsdampde
Text: Dr. Barbara Eckardt, Online gestellt: Agnes Bressa