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Politik hautnah

Das Kommunalwissenschaftliche Institut

Quelle: Andreas Klaer
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Quelle: Andreas Klaer

Sie entscheiden, wo neue Fahrradwege gebaut und wie viele Kita-Plätze geschaffen werden, wann das städtische Schwimmbad geöffnet hat oder wie die öffentlichen Grünflächen gestaltet werden. In den 13.000 Kommunen Deutschlands sind Kommunalpolitiker dafür verantwortlich, dass in Städten, Gemeinden und Dörfern ein sicheres Verkehrsnetz besteht, dass der Müll entsorgt und neue Wohnhäuser geschaffen werden. Soll mit dem knappen vorhandenen Geld der Jugendclub oder doch lieber das Theater finanziert werden? Auch das entscheiden Gemeinderäte, Kreistage, Stadträte und Ortsbeiräte. In welchen Strukturen bewegt sich Kommunalpolitik, was ist notwendig, um kommunale Aufgaben zu erfüllen und welche Weichen müssen gestellt werden, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein? Diese und andere Fragestellungen untersucht das Kommunalwissenschaftliche Institut (KWI) der Universität Potsdam.

Seit über 20 Jahren erforschen Rechts-, Politik-, Sozial und Verwaltungswissenschaftler am KWI fächerübergreifend Grundlagen und Probleme der Kommunalpolitik. Mit dem politischen Umbruch nach dem Ende des Kalten Krieges änderte sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR auch auf kommunaler Ebene die politische Arbeit grundlegend. Die Demokratie hielt Einzug, vorhandene Strukturen und Institutionen der neuen Bundesländer mussten sich neu ordnen und demokratischen Grundsätzen anpassen. „Man wollte eine Einrichtung haben, die diesen Prozess wissenschaftlich begleitet“, beschreibt Geschäftsführerin Dr. Christiane Büchner die Gründungsgeschichte des Instituts. „Hier war akademischer Sachverstand gefragt.“ Denn quasi über Nacht musste nach dem Vorbild der alten Bundesländer die kommunale Selbstverwaltung etabliert werden. 

Diesen Praxisbezug hat sich das KWI bis heute erhalten. Neben der wissenschaftlichen Forschung – etwa auf den Gebieten kommunaler Zusammenarbeit, Finanzen, Gebietsreformen oder der Aufgabenteilung zwischen Kommunen und Privatwirtschaft – sind Weiterbildung und Beratung die wichtigsten Säulen des Instituts. Dabei versteht sich das KWI nicht ausschließlich als kommunalrechtliche, sondern eben als kommunalwissenschaftliche Einrichtung, in der Juristen, Ökonomen und Verwaltungswissenschaftler gemeinsam forschen und lehren und dabei einen Schwerpunkt auf die neuen Länder legen. „Das macht uns bundesweit einzigartig“, betont Hartmut Bauer, Geschäftsführender Direktor des Instituts und Professor für Europäisches und Deutsches Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht. Studierende erlernen in den vom KWI angebotenen Seminaren die Grundlagen kommunaler Verwaltung und Politik, diskutieren Ursachen und Ergebnisse politischer Reformen auf kommunaler Ebene oder werten Erfahrungen und Konzepte einzelner Bundesländer aus. Fortbildungsangebote richten sich an die kommunalpolitischen Praktiker – Verwaltungsbeamte, Landräte, Bürgermeister, aber auch Anwälte für öffentliches Recht. Auf den zweimal pro Jahr stattfindenden Fachtagungen kommen Wissenschaftler und Politiker zusammen und tauschen Erfahrungen, Strategien zur Lösung aktueller Probleme oder neueste Forschungsergebnisse aus.

In erster Linie jedoch steht das KWI denjenigen beratend zur Seite, die Kommunalpolitik aktiv gestalten. „Gerade weil die kommunale Praxis in sehr hohem Maß durch ehrenamtliche Mitwirkung geprägt ist, ist der Beratungsbedarf sehr groß“, erläutert Thorsten Ingo Schmidt, Vorstandsmitglied des KWI und Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht, Verwaltungs- und Kommunalrecht. Gemeindevertreter, Kreistagsabgeordnete, Bürgermeister kleiner Gemeinden – sie alle wirken ehrenamtlich, meist parallel zu ihrem Berufsleben. „An sie werden Anforderungen gerichtet, die etwa denen an Führungskräfte eines privatwirtschaftlichen Unternehmens entsprechen“, verdeutlicht Schmidt. Denn wie ein Unternehmen habe eine Gemeinde Leitungsstrukturen und müsse mit personellen, finanziellen und organisatorischen Problemen umgehen. Die Nachfrage nach Beratungsangeboten ist entsprechend hoch.

Dringend notwendige Verwaltungsreformen, demografischer Wandel oder Privatisierung und Rekommunalisierung öffentlicher Unternehmen seien dabei besondere Herausforderungen für die Kommunalpolitik, erklärt Hartmut Bauer. So seien sinkende Bevölkerungszahlen auch mit zurückgehenden kommunalen Einnahmen verbunden – die Aufgaben, die die Kommunen bewältigen müssen, blieben jedoch bestehen. Gerade in diesen komplexen Problembereichen werde die Expertise des KWI in Anspruch genommen – von Kommunen, Ministerialverwaltungen, aber auch Landtagen. Als Sachverständige geben die Experten des KWI regelmäßig in den Landtagen Brandenburgs und anderer Bundesländer Stellungnahmen ab und verfassen Gutachten. In den zwei aktuellen Enquete-Kommissionen des brandenburgischen Landtags sind ebenfalls Mitglieder des KWI vertreten und unterstützen die Parlamentarier dabei, komplexe Sachverhalte aufzuarbeiten.

In der Politik werden die Stellungnahmen des KWI geschätzt – Sachverstand und Expertise, aber auch Neutralität des Instituts sprechen für sich. „Die Stellungnahmen des KWI sind nicht von Interessen oder einer Lobby geleitet, wie das manchmal bei anderen Experten der Fall ist“, betont Thorsten Ingo Schmidt. Als Wissenschaftler, nicht als Vertreter bestimmter Gruppen, stellen KWI-Mitglieder Konzepte vor, beurteilen Gesetzesvorschläge, analysieren Auswirkungen politischen Handelns und arbeiten dabei nicht auf ein bestimmtes Ergebnis hin. „Wir äußern keine politischen, sondern akademische Standpunkte“, verdeutlicht Christiane Büchner. In der politischen Debatte müssen sich die Wissenschaftler jedoch trotzdem behaupten: „Man muss sich den Fragen und Antworten der Ausschussmitglieder stellen“, so Büchner. „Das ähnelt einer Prüfungssituation“, vergleicht Schmidt schmunzelnd. Eine Prüfung, die meist erfolgreich verläuft, denn

die Resonanz sei überaus positiv: „Sie haben uns den entscheidenden Impuls geliefert“ – dies äußerten Ausschussmitglieder parteiübergreifend immer wieder gegenüber den Wissenschaftlern, so Hartmut Bauer.

Das Kommunalwissenschaftliche Institut ‹(KWI)Œ

Seit 1993 arbeitet das Kommunalwissenschaftliche Institut der Universität Potsdam mit einem Schwerpunkt in der Beratung von Kommunalpolitikern. Wissenschaftler aus der Juristischen und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät erforschen fächerübergreifend Aspekte der Kommunalpolitik. Regelmäßig veranstaltet das Institut Tagungen und veröffentlicht Publikationsreihen zu aktuellen kommunalpolitischen Themen. 

Kontakt

Universität Potsdam
Kommunalwissenschaftliches Institut
August-Bebel-Str. 89, 14482 Potsdam
www.uni-potsdam.de/u/kwi

Text: Heike Kampe, Online gestellt: Agnes Bressa