Was bedeutet es heute, Musiken der Welt aus regionalen Traditionen zu lehren und zu lernen? Am 15. November 2021 besuchten Studierende im Rahmen des Seminars Musikunterricht interkulturell unter Leitung von Tobias Hömberg erstmals die Global Music Academy in Berlin. Die Akademie versteht sich als Bildungs- und Kultureinrichtung für globale Musikkulturen: Zum einen ist sie Musikschule zur Vermittlung diverser – vor allem folkloristischer – Musiken aus einzelnen Regionen Europas, Afrikas, Südamerikas und Asiens. Zum anderen entwickelt sie Konzepte für lokale Musikakademien in Afrika und Asien. Für die Arbeit im Seminar war beides von großem Interesse.
So erhielten die Studierenden exemplarisch eine praktische Einführung in die Karnatische Musik, vermittelt von dem Sänger Manickam Yogeswaran. Diese in Südindien und Sri Lanka verbreitete Kunstmusik basiert auf melodischen Ragas sowie rhythmischen Talas, mit denen Modi und Formen für vokale Improvisation und Komposition vorgegeben werden. Zum Erlernen solcher Strukturen dienen Solfège-Übungen. Unter Anleitung gelang es der Gruppe, einfache Ragas mit typischen melodischen Wendungen zu singen und in additiver Rhythmik eines spezifischen Talas eine kleine Melodie zu komponieren. Im Gespräch mit Manickam Yogeswaran wurde gemeinsam darüber reflektiert, inwieweit die kulturelle Praxis der karnatischen Musik im westlichen Kontext adaptiert werden kann und welche Grenzen bestehen – hinsichtlich eines authentischen Musizierens sowie hinsichtlich einer Sensibilität gegenüber dieser südasiatischen Musikkultur, die in Bezug auf die heute umstrittene ‚kulturelle Aneignung‘ in besonderem Maße geboten scheint.
In einer ergänzenden Präsentation gewannen die Studierenden Einblicke in die Geschichte der Global Music Academy und deren internationale Arbeit. William Ramsay, künstlerischer Leiter der Akademie, stellte das Global Music Campus Projekt vor. Diese unter anderem von der EU und vom Goethe-Institut geförderte Initiative engagiert sich für Erhalt und Weiterentwicklung von Musiktraditionen in elf afrikanischen und asiatischen Ländern. Die Konzepte zu deren akademischer Vermittlung beinhalten spezifische Curricula, die die Global Music Academy gemeinsam mit Musiker*innen vor Ort entwickelt. Auch an die Präsentation Ramsays schloss sich ein facettenreiches Gespräch an, welches die im Seminar diskutierten Perspektiven einer zeitgemäßen interkulturellen Musikpädagogik weiten und bereichern konnte.