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Bürgerrat zur Robotik in der Altenpflege – Teilnehmende übergeben gemeinsame Erklärung an das Bundesministerium für Gesundheit

Roboter können und dürfen durch Menschen geleistete Pflege nicht ersetzen. Unterstützend könnten sie jedoch das Pflegepersonal von anstrengenden, wiederholenden Arbeiten entlasten, damit es mehr Zeit für hochwertige Pflegetätigkeiten und individuelle Betreuung gewinnt. Das ist das zentrale Fazit eines Bürgerrats, in dem 25 Potsdamerinnen und Potsdamer ethische Orientierungspunkte für den verantwortungsvollen Einsatz von Robotik in der Altenpflege erarbeitet haben. Ihre gemeinsam verfasste Erklärung mit insgesamt 20 Forderungen übergaben sie jetzt an das Bundesministerium für Gesundheit, das dieses besondere Format der demokratischen Teilhabe gefördert hatte. Organisiert wurde es von der Juniorprofessur für Medizinethik an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg.

An drei Wochenenden im Frühjahr trafen sich die zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger verschiedener Bevölkerungs-, Alters- und Berufsgruppen, um ausführlich zu diskutieren, wie gute Pflege in der Zukunft aussehen soll und unter welchen Voraussetzungen dabei soziale Robotik zum Einsatz kommen kann. Sie lernten bereits existierende robotische Systeme kennen, hörten Berichte aus der Pflegepraxis und Erfahrungen von Betroffenen. Sie studierten Dokumente und Veröffentlichungen, befragten Fachleute aus Politik und Gesellschaft, aus Wissenschaft und Praxis, um schließlich eine Erklärung zu verfassen, in der sie ihrer gemeinsamen Haltung Ausdruck verleihen und Empfehlungen geben, die die Vielfalt ihrer Positionen widerspiegeln. „Lösungen aus dem Bereich der sozialen Robotik sollten nur eingesetzt werden, wenn sie sowohl für die Pflegenden als auch für die zu pflegende Person einen nachgewiesenen Mehrwert darstellen“, heißt es in der ersten ihrer 20 Forderungen, die auch die häusliche Pflege einbeziehen. Der Bürgerrat sieht die dringende Notwendigkeit, wissenschaftliche Begleitstudien durchzuführen, z.B. zu den psychischen Auswirkungen auf die Pflegebedürftigen und zu den erhofften Versorgungseffekten. Die Erkenntnisse daraus sollen in die Aus- und Fortbildung der Pflegekräfte einfließen. Unabdingbar sei eine Digitalisierungsstrategie, die die Pflege im Ganzen in den Blick nehme. Die Bürgerinnen und Bürger weisen zudem auf offene Fragen des Datenschutzes, der Gefährdungshaftung und besonders des Persönlichkeitsrechts hin. So solle der individuelle Wille hinsichtlich des Einsatzes sozialer Robotik rechtssicher formuliert werden, etwa in der Art einer Patientenverfügung. Auch müsse ein gleichberechtigter Zugang für alle gewährleistet werden, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten. Sollten Assistenzsystem zukünftig eine positive Wirkung auf die Pflegeversorgung haben, sollte unterstützende Robotik als Leistung der Pflege- und Krankenversicherung rechtlich anerkannt und abgesichert werden, heißt es in der Erklärung. Nicht zuletzt fordern die Bürgerinnen und Bürger eine Qualitätssicherung und Normierung für die robotischen Systeme, den Ausbau der Infrastruktur und einheitliche technische Standards für offene Schnittstellen. Bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz und selbstlernender Systeme müsse soziale Robotik immer kontrollierbar bleiben. „Alle in der Erklärung enthaltenen Forderungen und Hoffnungen sind alleiniger Ausdruck der Haltung der beteiligten Bürgerinnen und Bürger. Sie sind als ein Auftrag an die jeweiligen Adressaten in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu verstehen, diese Forderungen in ihrem Handeln zu berücksichtigen, zu vermitteln und ihnen Geltung zu verschaffen“, sagt der Potsdamer Medizinethiker Prof. Dr. Robert Ranisch, der mit seinem Team das mehrstufige Format zur Mitwirkung entwickelt hat. „Damit wollten wir die entscheidende Frage nach der Zukunft einer guten Pflege in die Öffentlichkeit bringen – das darf die Wissenschaft nicht alleine entscheiden“, ergänzt Dr. Joschka Haltaufderheide, der das Projekt stellvertretend leitet.

Die Erklärung (https://zenodo.org/records/12927458) wurde von den Bürgerinnen und Bürgern am 15. Juli 2024 im Bundesministerium für Gesundheit übergeben, das das Positionspapier mit großem Interesse entgegennahm. Bei der Übergabe berichteten die Teilnehmenden von ihren Erfahrungen und konnten in einer Diskussion mit Fachleuten aus dem Ministerium einige ihrer Forderungen näher erläutern. Robert Ranisch und sein Team werden das erarbeitete Dokument nun mit einer ethischen Leitlinie zum Einsatz von Robotik in der Altenpflege flankieren.

Die Bürgerkonferenz ist Teil des Projekts E-cARE („Ethics Guidelines for Socially Assistive Robots in Elderly Care: An Empirical-Participatory Approach“) der Juniorprofessur für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, in dem die Bedingungen eines verantwortlichen Einsatzes von Robotik in der Altenpflege erforscht werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert.

Marc Bubeck, Joschka Haltaufderheide, Ruben Sakowsky und Robert Ranisch (Hrsg.) (2024). Erklärung Potsdamer Bürgerinnen und Bürger zur Robotik in der Altenpflege. Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Universität Potsdam. DOI: 10.25932/publishup-64958

Das Projekt und die Erklärung im Internet:

Kontakt: Prof. Dr. Robert Ranisch, Juniorprofessur für Medizinethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung
Telefon: 0331 977-213841
E-Mail: ranischuni-potsdamde

Bild 1: Mitglieder des Potsdamer Bürgerrats übergeben ihr Positionspapier an Dr. Frank Niggemeier, Leiter des Referates „Ethik im Gesundheitswesen, Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege“ im Bundesministerium für Gesundheit. Foto: Dr. Paula Hepp (BMG)
Bild 2: Der Potsdamer Bürgerrat zur „Robotik in der Altenpflege“ mit dem wissenschaftlichen Team um Prof. Dr. Robert Ranisch (2.v.r.) Foto: Dr. Ruben Sakowsky

Medienkontakt:
Antje Horn-Conrad
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Potsdam
Telefon:  0331 977-1474
E-Mail: presse@uni-potsdam.de

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften
wurde 2018 als gemeinsame Fakultät der Universität Potsdam, der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gegründet. Sie bildet den Kern des Gesundheitscampus Brandenburg. Ziel ist es, neuartige medizinische, pflegerische und medizin-technische Versorgungsangebote sowie innovative Studiengänge zu entwickeln. In Kooperation mit weiteren Hochschulen und Forschungseinrichtungen soll die Fakultät zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im Flächenland Brandenburg beitragen. 
www.fgw-brandenburg.de

Medieninformation der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, herausgegeben von der Universität Potsdam
29-07-2024 / Nr. 003