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Ausgewogene und evidenzbasierte Impf-Information – Auseinandersetzung mit Faktenboxen verbessert die Bewertung von Impfstoffen

Um das Verhältnis von Nutzen und Schaden von Impfstoffen einschätzen zu können, müssen Menschen ausgewogen über den möglichen Schutz, aber auch die Nebenwirkungen informiert werden. Es gehört zum rechtlichen Standard des Gesundheitssystems, eine informierte Entscheidung des Einzelnen sicherzustellen. Wie kann das gelingen, wenn in Impfkampagnen möglichst viele Menschen innerhalb kurzer Zeit zum Impfen motiviert werden sollen? Ergibt sich hier möglicherweise ein Widerspruch? Mit dieser Frage befasst sich eine aktuelle Studie von Forschenden des Potsdamer Harding-Zentrums für Risikokompetenz und des Max- Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Gemeinsam mit dem Institut infratest dimap haben sie hierfür eine Reihe von Sekundärdatenanalysen und Experimenten durchgeführt.

Mithilfe der Coronavirus-Online-Panel-Befragung „COMPASS“ hat infratest die Pandemie und ihr Management seit März 2020 aus Bevölkerungssicht beobachtet. So liegen inzwischen repräsentative, im Längsschnitt – d.h. mit denselben Personen wiederholt – erhobene Daten vor. Mit deren Analyse wurde nun unter anderem untersucht, wie die vom Harding-Zentrum mit dem Robert Koch-Institut entwickelten Faktenboxen zu den mRNA-Impfstoffen wirken. Ein Ergebnis ist, dass die Auseinandersetzung mit den online präsentierten Faktenboxen nicht nur zu einem kurzfristigen Wissenserwerb führt, sondern auch die Bewertung des Nutzen- Schaden-Verhältnisses der Impfstoffe verbessert. „Obwohl dies nur ein kleiner Effekt ist, gibt er doch einen sehr wichtigen Hinweis“, sagt Dr. Felix Rebitschek vom Harding-Zentrum. Prof. Gert G. Wagner, Max Planck Fellow am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, sagt dazu: „Es stand nämlich die Frage im Raum, ob die individuelle Entscheidung, die auf der Grundlage evidenzbasierter Fakten und persönlicher Abwägung von Nutzen und Nebenwirkungen getroffen wurde, dem politischen Ziel entgegensteht, mit Kampagnen möglichst viele Menschen zu einer Impfung zu bewegen.“ Nun aber stehe fest, dass die Faktenboxen sehr wohl die Bewertungen der mRNA-Impfstoffe in der Bevölkerung positiv beeinflussen würden – auch wenn dies nicht ihr Entwicklungszweck sei, so Rebitschek.

Die COVID-19-Impffaktenboxen wurden seit 2021 eingesetzt. Faktenboxen sind kein Werkzeug zur Verhaltenssteuerung. Sie sind ein erprobtes und wirksames Mittel, um Gesundheitsrisiken besser verstehen, einschätzen und eine stärker informierte Entscheidung treffen zu können. Hätte man beispielsweise 2021 den etwa elf Millionen unentschlossenen und skeptischen Erwachsenen unter 60 Jahren in Deutschland die einfache Faktenbox für zwei Minuten zur Verfügung gestellt, hätten hochgerechnet 600.000 von ihnen die Wirkstärke des mRNA-Impfstoffs richtig verstanden.

Expertenteams aus Gesundheits- und Verhaltenswissenschaftlern fassen für die Faktenboxen die wissenschaftliche Evidenz über Nutzen und Schaden von Behandlungen und Impfungen, aber auch von Früherkennung, Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln in einer allgemeinverständlichen Form zusammen. Das Potenzial von Faktenboxen wurde bereits von verschiedenen Krankenkassen und anderen Organisationen im Gesundheitsbereich erkannt, die mit dem Harding-Zentrum zusammenarbeiten.

Das Harding-Zentrum für Risikokompetenz
wechselte 2020 vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin nach Potsdam an die Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg. Es steht für Aufklärung, für die allgemeinverständliche Aufbereitung von Fakten und für die Entwicklung analoger und digitaler Werkzeuge, die dabei helfen, informierte und effiziente Gesundheits- und Verbraucherentscheidungen zu treffen. Das Team des Harding-Zentrums um Professor Gerd Gigerenzer führt Studien, Expertenbefragungen und Umfragen in der Bevölkerung durch. Zudem organisiert es Fort- und Weiterbildungen für Ärzte und Ärztinnen, Journalisten und Verbraucherschützer, für die es besonders wichtig ist, Risiken richtig zu interpretieren und verständlich gegenüber Patientinnen und Patienten und der allgemeinen Öffentlichkeit vermitteln zu können.

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg
wurde 2018 als gemeinsame Fakultät der Universität Potsdam, der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus- Senftenberg gegründet. Sie bildet den Kern des Gesundheitscampus Brandenburg. Ziel ist es, neuartige medizinische, pflegerische und medizin-technische Versorgungsangebote sowie innovative Studiengänge zu entwickeln. In Kooperation mit weiteren Hochschulen und Forschungseinrichtungen soll die Fakultät zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im Flächenland Brandenburg beitragen.

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

Studie: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0274186

Kontakt
Dr. Felix G. Rebitschek, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des Harding-Zentrums für Risikokompetenz
E-Mail: rebitschekuni-potsdamde

Medieninformation der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, herausgegeben von der Universität Potsdam
13-09-2022 / Nr. 003