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Wie Blätter im Fluss – Forscher untersuchen Biomechanik der Herzklappenentstehung

Im Laufe eines 80-jährigen Lebens pumpt das menschliche Herz über 200 Millionen Liter Blut durch den Körper. Diese beeindruckende Leistung hängt entscheidend von der Ausbildung der Herzklappen ab. Im frühembryonalen Herzen fehlen Herzklappen. Die rhythmisch aufeinanderfolgenden Kontraktionen der Herzkammern erzeugen zunächst ein abwechselndes Vorwärts- und Zurückströmen des Blutes. Erst die Umformung der flachen Herzkissen in bewegliche und verschließbare Herzklappen führt zu einem zielgerichteten Blutfluss, weil ein Zurückströmen des Blutes verhindert wird. Wissenschaftler der Universität Potsdam und der Medizinischen Hochschule Hannover haben nun molekulare Mechanismen entdeckt, die durch den Blutfluss aktiviert werden und die Ausbildung von Herzklappen steuern. Die Ergebnisse ihrer Forschungen haben die Biologen in der Fachzeitschrift eLIFE veröffentlicht.

Seit einiger Zeit wird vermutet, dass die Ausbildung von Herzklappen auf biomechanischen Kräften beruht, die durch den Blutfluss auf die embryonalen Herzkissen einwirken. Diese Kräfte bewirken in den Herzkissen molekulare Veränderungen. Sie steuern die Umformung in Herzklappen. Wissenschaftler suchten seit Langem nach molekularen Auslösern, die zur Ausbildung der Herzklappen aus dem flachen Herzkissen führt. Embryonale Herzklappen haben einen sehr einfachen Aufbau mit zwei unterschiedlichen Seiten, der pflanzlichen Blättern mit verschiedenen Ober- und Unterseiten ähnelt. Die dem Inneren des Herzschlauches zugewandte Seite unterscheidet sich in ihrer Form und Beschaffenheit von der dem Äußeren des Herzschlauches zugewandten Seite. Hierbei sind nur die Zellen auf der Innenseite, nicht die Außenzellen, dem Blutfluss durch das Herz ausgesetzt. In den transparenten Eiern des Zebrafisches können Wissenschaftler diesen Prozess mit mikroskopischen Methoden beobachten.
Um herauszufinden, wie es zur Entstehung und Ausbildung der unterschiedlichen Innen- und Außenseiten der Herzklappen kommt, ergründeten die Wissenschaftler zunächst, welche Gene durch den Blutstrom während der frühen Herzklappenentwicklung des Zebrafisches angeschaltet werden. Dabei machten sie eine überraschende Entdeckung. Sie fanden eine Gruppe von Genen, die aus der menschlichen Blutgefäßerkrankung zerebrale kavernöse Malformationen bekannt sind. Patienten mit dieser Erkrankung leiden an Verwachsungen von Blutgefäßen, was zu Blutungen und Schlaganfällen führen kann. Zunächst wunderten sich die Wissenschaftler über die mögliche Verbindung dieser Gene mit der Herzklappenentwicklung. In weiterführenden Studien konnten sie jedoch zeigen, dass die Gene eine wichtige Funktion darin haben, wie Zellen biomechanische Kräfte des Blutflusses erspüren. Dabei machen sie die Zellen unempfindlicher für den Einfluss des Blutflusses. Wurden diese Gene ausgeschaltet, bildeten sich die Herzklappen nicht mehr aus. „Wir vermuten, dass diese Gene in einem kleinen Bereich des Herzkissens besonders aktiv sind und dort die Ausbildung der Außenseite der Herzklappe auslösen. Dies könnte ein Kristallisationspunkt sein, an dem sich die frühen Herzkissen in funktionale Herzklappen umbilden“, erläutert Prof. Dr. Salim Seyfried von der Universität Potsdam. Die Ergebnisse der Forscher werfen eine Vielzahl an weiterführenden Fragen auf. Unter anderem wollen sie herausfinden, ob die Gene eine diagnostische Anwendung für angeborene Herzfehler des Menschen ermöglichen. Die molekularen Mechanismen der Herzklappenbildung sind nun um einige wichtige Spieler reicher, deren Wechselwirkung genauer erforscht werden kann. Schließlich stellt sich auch die Frage, ob die Erkrankung zerebrale kavernöse Malformationen auf veränderte biomechanische Prozesse in Blutgefäßen zurückzuführen sein könnte.

Illustration: Ausformung der Herzklappen durch den Blutfluss (Pfeil). Blutzellen strömen im atrioventrikulären Kanal des Zebrafischherzens an der luminalen Seite der Herzklappen vorbei (Sterne)
(Quelle: Stefan Donat, Arbeitsgruppe Seyfried)

Kontakt: Prof. Dr. Salim Seyfried, Institut für Biochemie und Biologie
Telefon: 0331 977-5540
E-Mail: salim.seyfrieduni-potsdamde
Internet:  https://academic.oup.com/mbe/advance-article/doi/10.1093/molbev/msy037/4924857
eLife 2018; 7:e28939. DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.28939

Medieninformation 18-04-2018 / Nr. 060
Prof. Dr. Salim Seyfried, Dr. Barbara Eckardt

Universität Potsdam
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Online gestellt: Katharina Zimmer
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