I. Verfassungsrechtlicher status quo
(1) Kinder sind Träger aller Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 1 bis 19 GG). Unter anderem steht ihnen ein Grundrecht auf Persönlichkeitsentwicklung (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) und ein Grundrecht auf elterliche Pflege und Erziehung zu (Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II 1 GG).
(2) Die Pflege und Erziehung des Kindes ist primär Recht und Pflicht der Eltern (Art. 6 II 1 GG). Das Elternrecht ist ein dienendes Grundrecht im Interesse des Kindeswohls.
(3) Dem Staat kommt grundsätzlich nur ein Wächteramt zu, das auf die Abwehr von Gefahren für das Kind beschränkt ist (Art. 6 II 2 GG). Das Wächteramt konkretisiert Schutzpflichten des Staates für die Grundrechte des Kindes.
(4) Im Bereich der Schule hat der Staat ein gleichberechtigtes Pflege- und Erziehungs-recht (Art. 7 I GG).
II. Deklaratorische Verfassungsänderung
(5) Die meisten Vorschläge zur Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz sehen deklaratorische Verfassungsänderungen vor wie die Kodifizierung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 6 GG. Bsp.: Ergänzung des Art. 6 GG um Pflichten der Eltern zur Berücksichtigung der wachsenden Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes; Ergänzung des Art. 6 GG um Pflichten des Staates zum Schutz und zur Förderung des Kindes; Kodifizierung spezieller Kindergrundrechte wie ein Recht auf Persönlichkeitsentwicklung, auf gewaltfreie Erziehung oder auf freie Meinungsäußerung.
III. Echte Verfassungsänderung
(6) Die wirklichen Baustellen liegen woanders. Der verfassungsrechtliche status quo erscheint für einen Teil der Familien nicht mehr angemessen. Fälle unzureichender Bildung, der Vernachlässigung, der Gewalt und des Missbrauchs von Kindern nehmen zu. Um diesen Missständen wirksam begegnen zu können, sollte erwogen werden, das Wächteramt des Staates (Art. 6 II 2 GG) auf Vorfeldbefugnisse und den Schulauftrag des Staates (Art. 7 I GG) in den frühkindlichen Bereich auszudehnen; ggf. ergänzt um besondere Schutz- und Förderpflichten des Staates in und außerhalb der Schule für benachteiligte Kinder.