Berichte
Der Jahresbericht der Forschungsstelle für 2018 / 2019 / 2020
6. Woche des Deutschen Rechts
25. bis 29. März 2019
Turnusgemäß besuchte eine neunköpfige Delegation die O.E. Kutafin Universität in Moskau zur Durchführung der 6. Woche des Deutschen Rechts.
Prof. Dr. Carmen Thiele (Europa Universität Frankfurt/Oder) und Prof. Dr. Norman Weiß (Universität Potsdam) haben die im Jahr 2007 begründete Veranstaltungsreihe damit in eine neue Runde geführt. Wie in den Vorjahren ging es darum, wissenschaftlichen Austausch und menschlichen Dialog miteinander zu verbinden.
Durch eine Mischung aus alten und neuen Teilnehmern und der Einbindung von zwei Nachwuchswissenschaftlern aus Potsdam wurde eine breitere Verankerung in den beteiligten Fakultäten angestrebt. Vor allem die Beteiligung jüngerer Wissenschaftler*innen wurde von den russischen Partnern sehr begrüßt.
Die Vorträge betrafen die Kerngebiete des Rechts und verbanden in bewährter Weise Grundsatzfragen mit aktuellen Problemstellungen. Die Teilnahme von Herrn Dr. Fischer sorgte für wertvolle Einblicke in die Praxis des Strafvollzugs. Das Programm wurde in Abstimmung mit den russischen Kollegen neu strukturiert und sorgte durch die Roundtable- und Workshop-Formate für intensive Diskussionen.
Überdies erreichten wir mit den Informationen über die Studienangebote für Bildungsausländer an unseren beiden juristischen Fakultäten eine große Anzahl studentischer Hörer.
Eine Publikation der Vorträge der 6. Woche des Deutschen Rechts durch die O.E. Kutafin Universität ist in Vorbereitung.
Der Gegenbesuch der russischen Kolleginnen und Kollegen steht für das Jahr 2020 an. Darüber hinaus wurden weitere Formen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit besprochen. Besonders wertvoll dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass kürzlich an der O.E. Kutafin Universität ein Menschenrechtszentrum eingerichtet wurde. Dies wird zusätzliche Anknüpfungspunkte eröffnen.
Ein Gespräch dem Leiter der Rechts- und Konsularabteilung und seiner Stellvertreterin in der Deutschen Botschaft bot Gelegenheit zum Austausch über Rechtsfragen und über allgemeine politische Angelegenheiten im deutsch-russischen Verhältnis.
An der Reise haben teilgenommen: Prof. Dr. Katharina de la Durantaye (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)), Dr. Horst Anton Fischer (Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz (MdJEV), Potsdam), Margarita Hamann (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)), Elisabeth Kaneza (Doktorandin, Universität Potsdam), Galina Kulyamina (Universität Potsdam), Dr. Roswitha Schwerdtfeger (Universität Potsdam), Dr. Fabian Stam (Universität Potsdam), Prof. Dr. Carmen Thiele (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)) und Prof. Dr. Norman Weiß (Universität Potsdam).
Leider mussten zwei Delegationsmitglieder ihre Teilnahme kurzfristig absagen: RiBGH Dr. Falk Bernau (Bundesgerichtshof, Karlsruhe) und RA Prof. Dr. Matthias Dombert (Potsdam).
Frau Kulyamina und Frau Hamann ist für die vielfachen Übersetzungsleistungen zu danken.
Impressionen
9. Internationale rechtsvergleichende Konferenz
„Aktuelle Probleme der Strafrechtswissenschaft im internationalen Vergleich“
14. Dezember 2020
Zur jährlichen internationalen rechtsvergleichenden Konferenz im Strafrecht kamen am 14. Dezember 2020 unter der Leitung vonProfessor Dr. Dr. h.c. Hellmann hochrangige StrafrechtswissenschaftlerInnen, KriminalistInnen und KriminologInnen aus Deutschland, der Russischen Föderation, der Republik Armenien, der Kirgisischen Republik und Belarus zusammen. Aufgrund der epidemiologischen Lage wurde die Veranstaltung von der Universität Potsdam in diesem Jahr digital per Zoom durchgeführt. An der Veranstaltung nahmen ca. 30 RechtswissenschaftlerInnen der Universität Potsdam, der Moskauer Staatlichen Juristischen O.E.Kutafin-Universität, der Moskauer Staatlichen M.V. Lomonosov-Universität, der Belarussischen Staatlichen Universität, der Kirgisisch-Russischen Slawischen B.N. Jelzin-Universität, der Nationalen Forschungsuniversität „Hochschule der Wirtschaft“, der Russisch-Armenischen Universität sowie Mitglieder des Verbandes der Kriminalisten und Kriminologen teil.
Trotz der besonderen Umstände kann die Online-Konferenz als gelungen bezeichnet werden. Es wurden wichtige Themen behandelt und zahlreiche Fragen in spannenden Diskussionsrunden beantwortet. Die Konferenz deckte wieder ein breites Themenspektrum ab.
Großen Raum nahmen Digitalisierung und Massenmedien und deren Einfluss auf die Rechtsordnung ein. Sie beeinflussen das Rechtsbewusstsein der Bürger und die Bedeutung der Cyberkriminalität, der künstlichen Intelligenz und der sozialen Medien bzw. der Massenmedien wächst auch im Strafrecht. Die Vorträge griffen unterschiedliche Aspekte dieser Kriminalität und die Schwierigkeiten für die Vorbeugung und Verfolgung von Straftaten im medialen bzw. virtuellen Raum auf.
Ein weiterer Themenbereich betraf die Rechtsanwendung unter dem Einfluss der COVID-19-Pandemie. So löste die Frage einer Triage und ihre rechtliche Bewertung eine breite Diskussion aus. Im Mittelpunkt standen die Entscheidungskriterien, anhand derer die behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Patientenpriorisierung vornehmen können, ohne sich strafbar zu machen. Die rechtliche Einordnung dieser Entscheidungskriterien und ihre gesetzliche Umsetzung erwies sich als schwierig, da die Behandlung von PatientInnen in einer Rangfolge anhand bestimmter Kriterien rechtlich unzulässig sein dürfte. Darüber hinaus wurde angesprochen, dass die COVID-19-Pandemie neue Formen krimineller Aktivitäten z.B. im Rahmen der Infektionsschutzmaßnahmen ermöglicht.
Im Mittelpunkt des folgenden Themenblocks stand die Person des Täters. Behandelt wurde einerseits die Resozialisierungswirkung strafrechtlicher Sanktionen, die nicht als eine Analogie zur Bewährung, sondern als ein Prozess der Integration von Verurteilten in das System der sozialen Beziehungen beurteilt werden sollte. Diskutiert wurde auch die rechtliche bzw. sozialpolitische Bedeutung des Instituts der Vorstrafen im russischen Strafgesetz, welches im deutschen StGB fehlt. Vorstrafen als strafrechtliches Zeichen der Straffälligkeit sollten nicht allein zur Vornahme von Sicherheitsmaßnahme im Rahmen der rechtlichen Kontrolle des Verhaltens einer verurteilten Person dienen. Sie sind auch eine Herausforderung, welche der sozial-gesellschaftlichen Integration des Verurteilten im Wege steht, da sie ihn zumindest an der Ausübung bestimmter Berufe hindern. In diesem Zusammenhang wurden die Aufhebung und Verjährung der Vorstrafe kontrovers diskutiert.
Im Laufe der Konferenz wurden zudem die prozessuale Frage der Verwerfung der Revision als „offensichtlich unbegründet“ sowie das rechtsdogmatische Problem der notwendigen Reform der Tötungsdelikte im StGB behandelt. Aus den Vorträgen und den darauffolgenden Diskussionen wurde klar, dass das russische Strafrecht den Begriff „offensichtlich unbegründet“ nicht kennt und die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag, wie sie im deutschen Recht existiert, nicht vornimmt, da der Mord als Qualifikation des Totschlags geregelt ist. Verfahrensrechtliche Unterschiede in der russischen und deutschen Rechtsordnung wurden auch bei dem Thema „Die Entwicklung des verfassungsrechtlichen Status der Staatsanwaltschaft der RF“ aufgedeckt. Festgestellt wurde, dass – anders als im deutschen Strafverfahrensrecht – die Staatsanwaltschaft in der Russischen Föderation eher Aufsichtsfunktionen im Ermittlungsverfahren, das von einer anderen Strafverfolgungsbehörde durchgeführt wird, nämlich dem Ermittlungskomitee, besitzt.
Weitere Themen betrafen „Diskussionsfragen über den Begriff der Straftat im Entwurf des neuen Strafkodex der Republik Armenien“, die „Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Kirgisischen Republik: Fragen der Gesetzgebung und Rechtsanwendung“, „Die Gefahr der Umweltstraftaten im ‚häuslichen‘ Bereich und deren Vorbeugung“ und die „Aufdeckung von Nichtsteuerstraftaten durch Erfüllung steuerlicher Pflichten“.
Obwohl die Online-Konferenz von den Teilnehmenden als ertragreich eingeschätzt wurde, äußerten sie ihre Überzeugung, dass selbst eine gelungene Online-Veranstaltung das persönliche Zusammentreffen und den direkten Meinungsaustausch nicht vollwertig ersetzen kann und die unmittelbare Begegnung, sobald diese wieder möglich ist, anzustreben ist.