Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Da die Hochschulpartnerschaften der Universität Potsdam außerhalb Europas mir nicht sonderlich zusagten und ich mich relativ spontan entschieden habe ein Auslandssemester zu organisieren, habe ich mich als Freemover bei der University of Melbourne direkt beworben. Hilfe hatte ich dabei von der Agentur GoStralia, die mich kostenlos bei der Suche der passenden Universität und Erstellung meiner Bewerbungsmappe mithilfe von Informationsmaterial und Checklisten unterstützt hat. Es gibt allerdings auch andere Agenturen wie IEC, die ebenfalls kostenlos ähnliche Dienste anbieten, aber an ganz andere Universitäten vermitteln. Die Kurswahl erfolgt so, dass man sich im Vorhinein für Kurse an der Gastuniversität bewirbt, die man sich in Potsdam anrechnen lassen möchte. Es wird zwar empfohlen, bereits vor der Bewerbung ein Learning Agreement abzuschließen, allerdings werden gut und gerne Kurswünsche abgewiesen, wenn Vorkenntnisse als nicht genügend eingestuft werden. In solchen Fällen müsste man dann das Learning Agreement abändern, weshalb ich folgenden Ablauf empfehle: Zeitgleich bewirbt man sich für Kurse an der Uni Melbourne und bittet Lehrstühle an der Universität Potsdam zu prüfen, ob man sich gewünschte Kurse als deren Kurse anrechnen lassen kann. Insofern man die doppelte Bestätigung bekommt, erstellt man das Learning Agreement Before Mobility und lässt es von der/dem Studiengangsbeauftragten absegnen. Bei nötigen Änderungen Vorort erstellt man dann ein weiteres Dokument namens Learning Agreement During Mobility. Die Studienordnung des Monobachelors BWL fördert Auslandsaufenthalte, so kann man sich Leistungen entweder als ein fachlich ähnliches Modul an der Universität Potsdam, oder aber als „Auslandsmodul“ in verschiedenen Bereichen des Studienplans anerkennen lassen. Besonders Mikroökonomik 1 (in einigen Fällen auch Makroökonomik 1) wird an der Uni Melbourne als Basis für viele Kurse gesehen, weshalb ich empfehle, diesen vor dem Aufenthalt in Potsdam zu belegen.
Studium an der Gastuniversität
Die University of Melbourne bietet im Commerce-Studiengang sehr viele Kurse an, die denen im BWL-Studium an der Universität Potsdam ähneln. Darüber hinaus gibt es allerdings auch sehr viele praxisorientierte Vertiefungskurse, die so bei uns nicht belegt werden können und sehr zu empfehlen sind.
Das Studiensystem an der Gastuniversität ist ähnlich. In der Regel gibt es eine Vorlesung (2h) und ein Tutorium (1h) pro Woche, wobei erwartet wird, dass man sich auf das Tutorium mit Übungsblättern vorbereitet. Die Vorlesungen werden alle aufgenommen und sind digital verfügbar, wobei Dozenten gerne Aufnahmen kürzen, damit bestimmte Informationen nur die aktiven Teilnehmer der Vorlesung erreichen. Somit ist zu empfehlen, zum Ende des Semester an der Vorlesung teilzunehmen.
Die Leistungsbewertung erfolgt abhängig vom Kurs. Meistens entspricht die Klausur am Ende ca. 60-70% der Note und durch das Semester hindurch gibt es 2-3 Assignments, die mit 20-30% ebenfalls in die Note einfließen. Das sind meistens akademische Arbeiten, oder aber eine Midsemester-Klausur. Typischerweise gibt es noch einen dritten Bereich der Leistungsbewertung, der sehr unterschiedlich ausfallen kann: Das kann zum Beispiel die Mitarbeit im Tutorium, die bloße Anwesenheit oder die Teilnahme an Feldstudien des Lehrstuhls sein.
Als BWL Student der Universität Potsdam ist man es zwar nicht gewöhnt Hausarbeiten zu schreiben, besonders nicht in englischer Sprache. Meiner Erfahrung nach waren die Hausarbeiten allerdings deutlich leichter zu bewältigen als die Klausur am Ende.
Die Leistungsbewertung erfolgte in Punkten von 0 bis 100, wobei 85-100 (bei uns eine 1.0) sehr schwer zu erreichen sind. Das liegt daran, dass Klausuren und Assignment-Aufgaben so gestellt werden, dass es von Seiten des Dozenten oder Tutors immer Kritikmöglichkeiten gibt (z.B. Text- statt Rechenaufgaben). Hinzu kommt, dass in meinen Kursen Leistungen auf einer Gaußkurve bewertet wurden – die Kurve wurde dabei von Kurs zu Kurs unterschiedlich abgestuft. Dadurch ist es schwerer, die maximale Punktzahl zu erreichen. Bei geringer Punktezahl wird man durch dieses System allerdings oft eine Note hochgestuft.
Durch die Kurvenbewertung spürt man hin und wieder ein kompetitives Klima, wenn es beispielsweise um die gemeinsame Vorbereitung von Hausarbeiten oder Klausuren geht.
Den Aufwand in den Kursen schätze ich sehr ähnlich zur Universität Potsdam ein, wobei Assignments leichter und Klausuren ähnlich aufwendig, manchmal aufwendiger, sind. Die Benotung empfand ich stets als fair. Wer lernt und sich für das Fach interessiert, wird auch gute Noten kriegen.
Vertiefungskurse, also Kurse die für das 3. Jahr vorgesehen sind, sind meiner Meinung nach deutlich aufwendiger als Kurse im 1. Jahr, was man bei der Kurswahl beachten sollte.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Die University of Melbourne hat beinahe 50% internationale Studierende, wobei in meinen Kursen der Anteil gefühlt deutlich höher war. An der University of Melbourne, besonders in Commerce, gibt es sehr viele Studierende aus asiatischen Ländern, vor allem aus China, was mich anfangs überrascht hat.
Durch das multikulturelle Umfeld konnte ich viele Freundschaften mit Australiern, aber auch ausländischen Studierenden aus aller Welt knüpfen. Besonders über asiatische Kulturen habe ich viel lernen können.
Da der englische Sprachstandard für australische Universitäten nicht sehr hoch ist, kommt es nicht selten vor, dass im Tutorium auf Englisch kaum einer gut Englisch spricht. In den Klausuren und Assignments wird daher auch keine hohe Sprachkompetenz erwartet. Sollte man dennoch sehr gut auf Englisch schreiben können, kann das ein Grund sein, eine höhere Punktzahl in Hausarbeiten zu erzielen.
Ich hatte vor dem Aufenthalt das Sprachniveau C1 und konnte in Hausarbeiten stets sehr gute Punkte in der Rubrik Sprachkompetenz sammeln. Selbstverständlich kommen auf einen viele neue Fachbegriffe zu, allerdings ergeben sich diese spätestens nach einer Googlesuche oder aber aus dem Kontext. Wer der formalen Sprachvoraussetzung der Universität Melbourne genügt, sollte sich also definitiv nicht durch die „Sprachbarriere“ abgeschreckt fühlen.
Die Einwohner in Australien sind deutlich offener und netter als in Berlin und Potsdam, was mir sehr gefallen hat. Alleine die sprachlichen Normen erlauben es, leicht ins Gespräch mit anderen zu kommen.
Wohn- und Lebenssituation
Die Wohnungssuche in Melbourne war die größte Hürde in meinem Auslandssemester. Das Problem ergab sich aus der hohen Nachfrage nach Wohnungen, der kurzen Dauer für die man die Wohnung im Auslandssemester benötigt und vielen betrügerischen Anzeigen, die es einem schwer erlauben, im Vorhinein eine Wohnung auf dem privaten Markt zu organisieren.
In der Stadt gibt es viele Universitäten und folglich auch viele Studentenwohnheime, von den Universitäten selbst oder aber von privaten Unternehmen. Diese Angebote sind sehr teuer, wobei man durch sehr viel Recherche im Vorhinein und rechtzeitige Buchung akzeptablere Preise finden kann.
Da ich wusste, dass der private Wohnungsmarkt deutlich günstiger ist, habe ich zu Anfang meines Aufenthalts in einem Hostel gewohnt und aktiv nach Wohnungen gesucht. Ich habe mithilfe diverser Facebook-Gruppen, Aushängen der Universität und zahllosen lokalen Portalen nach ungefähr einem Monat und vielen Besichtigungen eine WG finden können, die preislich und qualitativ in Ordnung war.
Im Nachhinein würde ich dennoch jedem empfehlen, sich deutlich früher über günstige Studentenwohnheime zu informieren um somit, trotz des Aufpreises, dem Stress der Wohnungssuche zu entgehen. Für den privaten Wohnungsmarkt kann ich nur das Portal Flatmates in Verbindung mit einer Premiummitgliedschaft empfehlen. Von Facebookgruppen rate ich stark ab, auch wenn dort die Angebote attraktiver scheinen. Generell sollte man bei Wohnungsbesichtigungen stets eine skeptische Einstellung bewahren und sich nicht aufs erstbeste Angebot stürzen, auch wenn man unter Zeitdruck steht.
Als Referenz: Im Stadtzentrum sind Mieten zwischen 250-350 AUD pro Woche für eine WG mit einem eigenen Zimmer üblich. Es gibt auch Angebote für 150-200 AUD pro Woche, in denen man entweder weiter außerhalb wohnt, oder sich ein Zimmer zu zweit teilt. Die Kaution von einer bis drei Monatsmieten darf ebenfalls nicht unterschätzt werden.
Der öffentliche Verkehr im Stadtzentrum ist zuverlässig und schnell. Möchte man allerdings in die darum liegenden Suburbs, so sind die Anbindungen sehr schlecht und man muss dazu noch hohe Ticketpreise zahlen. In solchen Situationen rate ich, mit Uber oder ähnlichen Fahrzeugdiensten, z.B. Ola und Didi zu reisen. Diese Fahrdienste sind sehr günstig, besonders wenn man sich das Auto mit Freunden oder aber Fremden mit der Pool-Funktion teilt. Konkurrenten zu Uber bieten sehr viele Rabattaktionen an, mit denen ich bestimmt um die 20 Mal mittlere Strecken umsonst gefahren bin.
Für Bankgeschäfte empfehle ich, sich kostenlos ein Konto bei der Westpac Bank anzulegen. Man erhält eine Debit Card, mit der man in so gut wie allen Läden durch bloßes Ranhalten der Karte Käufe tätigen kann. Auch Onlinekäufe funktionieren mit der Karte sehr gut. Das Konto lässt sich unproblematisch am Ende des Aufenthalts kündigen.
Lebenshaltungskosten
Wer die asiatische Küche mag oder generell neue Gerichte ausprobieren will, wird Melbourne lieben. Zwar sind Restaurantpreise deutlich höher als bei uns, allerdings ist das Essen an vielen Stellen wirklich erste Klasse. Es gibt eine Chinatown mit sehr leckerer authentischer Küche, allerdings sind chinesische Restaurants und Fusionen der asiatischen Küche überall in der Stadt verstreut zu finden. Ich empfehle stark, sich von Restaurantketten fernzuhalten und sich bei Einheimischen über authentische asiatische Restaurants zu erkundigen.
Für Lebensmittel sollte man zu Discount-Supermärkten wie Coles, Woolworths oder Aldi gehen. Aldi ist dabei deutlich günstiger als die anderen beiden, die ungefähr den Lebensmittelpreisen in Deutschland entsprechen. Einzig Obst und Gemüse sind sogar in Discountern besonders teuer, weshalb es sich empfiehlt diese Lebensmittel im Queen Victoria Markt in der Innenstadt einzukaufen.
Das wahrscheinlich überraschendste Highlight meiner Reise nach Melbourne war der Kaffee. Die Unterschied zu jeglichem Kaffee den ich zuvor hatte ist gigantisch. Die Preise entsprechen denen in Deutschland.
Studienfach: Betriebwirtschaftslehre
Aufenthaltsdauer: 03/2019 - 07/2019
Gastuniversität:University of Melbourne
Gastland: Australien
Rückblick
Tipps für nachfolgende Studierende
Besondere Empfehlungen:
1) Ich empfehle jedem, der damit noch keine Erfahrungen gemacht hat, im Hostel zu wohnen, da man hier Leute mit sehr spannenden Hintergründen und Perspektiven trifft. Auch wenn es oft ein Durcheinander gibt, wird es dafür nie langweilig. Kaufe dir vor deinem Aufenthalt unbedingt hochwertige Ohrstecker, um nachts das Schnarchen deiner Zimmergenossen durchzustehen.
2) Wenn man sich schon auf der anderen Seite der Welt befindet, sollte man die Chance nutzen, andere Länder in unmittelbarer Nähe aufzusuchen. Mit AirAsia kann man sehr günstige und qualitative Flüge finden und oft spannendere Sachen erleben als in Australien selbst.
3) Gehe zu Veranstaltungen, die von der Universität oder Clubs an der Universität organisiert werden. Dort kriegst du oft gratis Essen, lernst viele Mitstudierende kennen oder kommst in entspannter Umgebung in Kontakt mit Vertretern global agierender Unternehmen, die an der Universität Nachwuchs rekrutieren.
4) Probiere stets neue Sachen aus: Schreibe dich in einen der Sportclubs an der Universität ein, probiere außergewöhnliches Essen, fange Gespräche mit Fremden an, traue dich alleine zu reisen – Mach das meiste aus dieser einmaligen Erfahrung!