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Er nimmt es sportlich – Prof. Urs Granacher zur digitalen Lehre

Krisenbewältigung und Innovation – Die digitale Universität in Zeiten der Pandemie

Prof. Dr. Urs Granacher sieht, dass die digitale Lehre einen großen Schritt nach vorn gemacht hat – aber auch noch viel zu tun ist. | Foto: Thomas Roese
Foto : Thomas Roese
Prof. Dr. Urs Granacher sieht, dass die digitale Lehre einen großen Schritt nach vorn gemacht hat – aber auch noch viel zu tun ist.
Prof. Dr. Urs Granacher ist Sportwissenschaftler. In seinen Vorlesungen, Seminaren und Kolloquien wird nicht nur über Trainingspläne oder Bewegungsabläufe gesprochen – immer wieder geht es auch ganz praktisch zu, werden Übungen gezeigt oder Untersuchungen im Biomechanik-Labor durchgeführt. Die Pandemie hat das jedoch unmöglich gemacht. Wie alle Lehrenden an der Universität Potsdam musste Granacher seine Lehrveranstaltungen in die digitale Universität verlagern. Magda Pchalek sprach mit ihm über Vor- und Nachteile der Corona-bedingten digitalen Lehre, die besondere Schwierigkeit, Prüfungen in Online-Formate zu überführen und den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling. Das Interview bildet den Auftakt zu einer Interview-Reihe mit Lehrenden und Studierenden über „Krisenbewältigung und Innovation – Die digitale Universität in Zeiten der Pandemie“.

Sie sind Trainings- und Bewegungswissenschaftler – wie kann man sich Ihre Lehrveranstaltungen vor Corona vorstellen?

Vor Corona fanden meine Lehrveranstaltungen im Vorlesungssaal, im Seminarraum oder im Biomechanik-Labor der Trainings- und Bewegungswissenschaft statt, d.h. als Präsenzveranstaltungen. Gerade in anwendungsorientierten Disziplinen hat der Präsenzbetrieb für gewisse Lehrformate wie zum Beispiel Seminare, forschungsorientierte Praktika, sportpraktische Veranstaltungen Vorteile.

Und wie läuft das im Online-Semester? Welche Software bzw. Tools nutzen Sie vorrangig?

Die Pandemie hat dazu geführt, dass ich in allen Lehrveranstaltungen vom Präsenzbetrieb in den Online-Modus umgeschwenkt bin. Dabei bevorzuge ich die Kombination aus asynchronen und synchronen Anteilen des Unterrichtens. Mit anderen Worten, Vorlesungen werden von mir aufgezeichnet und als mp4-File eine Woche vor dem Vorlesungstermin asynchron zur Verfügung gestellt. Zum Veranstaltungstermin biete ich den Studierenden einen verkürzten synchronen Teil in Form eines Zoom Meetings an. In diesem Meeting können die Studierenden Verständnisfragen oder auch vertiefende Fragen zu den Vorlesungsinhalten stellen. Darüber hinaus weise ich sie auf besonders relevante Inhalte der Vorlesung hin. Für Vorlesungen funktioniert das Online-Format ausgezeichnet und ist sicherlich eine wertvolle Alternative für die Zeit nach Corona. In Seminaren, Praktika und v.a. sportpraktischen Veranstaltungen stoßen die Online-Format an ihre Grenzen, da die Diskussionen zum Lerngegenstand zentral sind und eine direkte Interaktion mit den Studierenden erfordern.

Wie haben Sie den Übergang zu digitaler Lehre gemeistert?

Das hat dank der Unterstützung durch das ZIM und den vielen vom ZIM und ZfQ bereitgestellten Lehr- und Lernvideos sowie Tutorials zur sinnvollen Nutzung von Zoom in der Lehre gut geklappt. Ich finde, dass die Uni Potsdam in kurzer Zeit Außergewöhnliches auf die Beine gestellt hat. In anderen gesellschaftlichen Bereichen war die Umstellung nicht so geräuschlos.

Wo hakt es noch?

Wie bereits erwähnt, die Diskussionskultur in Seminaren lässt sich nur schwer in digitale Lehrformate übertragen. Darüber hinaus hakt es noch bei der Umsetzung von Online-Klausuren. Das ist zugegebenermaßen eine große Herausforderung vor dem Hintergrund des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit. Nach meinem aktuellen Verständnis ist es nicht zielführend, analoge Formate in digitale zu überführen. Reine Wissensfragen erscheinen vor dem Hintergrund der Verpflichtung der Dozierenden zur Täuschungsprävention ungeeignet. Demgegenüber könnten Transferfragen ein gutes Format für Online-Klausuren darstellen. Allerdings erhöht sich dadurch unweigerlich der Schwierigkeitsgrad der Klausur. Das Thema ist komplex und es gibt Gründe, weshalb Fernuniversitäten in der Vergangenheit auf Präsenzprüfungen gesetzt haben. Ich bin sehr auf die zukünftigen Entwicklungen im Zusammenhang mit Online-Klausuren gespannt und werde das aufmerksam verfolgen.

Warum ist die Online-Lehre zeitaufwändiger als die Präsenzlehre?

Für meine Lehrveranstaltungen kann ich festhalten, dass der Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung sowie die Durchführung von Online-Lehrveranstaltungen bei einer Kombination aus asynchronem und synchronem Lehrformat höher waren im Vergleich zu den gleichen Veranstaltungen im Präsenzformat. Meine zugegebenermaßen noch geringen Erfahrungen mit der Online-Lehre deuten darauf hin, dass diese Kombination gut geeignet ist, um Studierenden flexibles Arbeiten zu ermöglichen und gleichzeitig nachhaltiges Lernen zu erzielen. Daher nehme ich den größeren Zeitaufwand gerne in Kauf.

Arbeiten Sie mit bestimmten Tools besonders gern bzw. erfolgreich?

Von technischer Seite sind das insbesondere Zoom, Microsoft 365 und Camtasia. In Zoom schätze ich die Breakout Sessions, das Whiteboard, das Umfrage-Tool sowie die Chatfunktion sehr und setze sie regelmäßig ein.

Gibt es Instrumente, die für Sie überhaupt nicht funktionieren?

Mit den oben aufgeführten Tools habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht. Wichtig ist, dass sie unterstützend zur Erarbeitung eines Lerngegenstands eingesetzt werden und nicht zum Selbstzweck.

Wie ist das Feedback der Studierenden?

Die Lehrevaluation werde ich nächste Woche durchführen, insofern kann ich zum WiSe noch nicht viel sagen. Aus dem SoSe wurde mir jedoch mitgeteilt, dass viele Studierende aus den oben genannten Gründen die Kombination aus asynchronem und synchronem Lehrformat schätzen. Als Trainingswissenschaftler mit hoher Affinität zum Leistungs- und Spitzensport ist dieses Format im Sinne der dualen Karriere besonders gut für Spitzensportlerinnen und -sportler an der UP geeignet.

Was nehmen Sie aus dieser Krise/Zeit mit?

Beruflich wäre es für mich vor einem Jahr noch unvorstellbar gewesen, alle Lehrveranstaltungen digital anzubieten. Privat haben die kleinen Dinge im Alltag, wie zum Beispiel ein Spaziergang mit der Familie, eine ganz andere Bedeutung erhalten.

Wie ist der Austausch mit Studierenden und Kollegen– rückt man näher zusammen, kann man sich gegenseitig helfen? Oder entfremdet die mit dem digitalen Semester einhergehende Entfernung eher?

Das Homeoffice trägt nicht unbedingt dazu bei, dass sich die Kommunikation unter den Kollegen  und Kolleginnen  und zwischen den Kollegen und der Leitung verbessert. Informelle Gespräche auf dem Flur, in der Teeküche etc. finden nicht mehr statt. Dort werden oftmals wichtige Informationen ausgetauscht. Durch Jour Fixe und Team Meetings versuche ich, dem bestmöglich entgegen zu wirken. Je länger die Pandemie dauert, desto schwieriger wird dieses Unterfangen. Ein positiver Aspekt ist, dass aus unserem UP-internen Forschungskolloquium, das 14-tägig stattfindet, ein nationales und internationales Event wurde, an dem Kollegen und Kolleginnen von deutschen, holländischen, britischen, kanadischen, amerikanischen, tunesischen Universitäten teilnehmen.

Wie kriegen Sie selbst das Homeoffice & ggf. Familie, Freunde, weitere Verantwortungen parallel unter einen Hut?

Dienstreisen und Konferenzbesuche finden während der Pandemie kaum oder gar nicht mehr statt. Dadurch konnte ich wertvolle Zeit insbesondere für die Familie gewinnen. Allerdings ist die Kombination aus Homeoffice, Homeschooling, Familie und anderen Verpflichtungen eine große Herausforderung für alle Beteiligten.

 

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