Die Corona-Pandemie trifft Sportler aller Art hart. Sind Profisportler dennoch besonders betroffen? Sie dürfen ja nicht einfach pausieren …
Ein unmittelbarer Abbruch des Trainings wäre problematisch, da dies gesundheitliche Folgen für Athleten haben kann. Schwankungen in Trainingsumfang und -intensität sind jedoch nichts Außergewöhnliches im Laufe eines Trainingsjahres. Das wird sogar bewusst angestrebt, um die sportliche Leistung über die Zeit zu entwickeln. Hierbei spricht man von der sogenannten Periodisierung des Trainings. Am Ende der Trainingsplanung steht in der Regel ein Wettkampfhöhepunkt, auf den hingesteuert wird. Von diesem Endpunkt ausgehend, wird das Training gezielt geplant. Zu Beginn einer Vorbereitungsperiode sind beispielsweise die Umfänge sehr hoch. Im Laufe des Trainings und je näher der Höhepunkt heranrückt, desto stärker reduzieren sich die Umfänge und die Intensitäten steigen stattdessen an.
Gleichzeitig ist ihr Training meist viel aufwendiger. Wie können sie weitertrainieren?
Über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen kann der Fitnesszustand auch mit geringeren Umfängen, dafür aber mit hohen Trainingsintensitäten erhalten werden. Vor Wettkampfhöhepunkten fahren Athleten sogar ganz bewusst diese Strategie, um am Wettkampftag erholt an den Start zu gehen. Man spricht dabei vom sogenannten Tapering. Trainingsumfänge werden über ein Zeitfenster von zwei Wochen um bis zu 50 Prozent reduziert. Während dieser Tapering-Phase werden einzelne hoch intensive Einheiten durchgeführt, um ein sogenanntes Detraining zu vermeiden. Das lässt sich jedoch nur über zwei, maximal drei Wochen praktizieren. Danach muss die Form wieder neu aufgebaut werden.
Manche Sportarten dürften sogar noch mehr Probleme haben als andere, ihr spezifisches Training fortzusetzen als andere: Mannschafts- und Kontaktsportarten zum Beispiel, aber auch jene, die auf Sportanlagen angewiesen sind, die gesperrt wurden. Was können Sportler solcher Disziplinen jetzt tun?
Ja. Neben dem Training der körperlichen Fitness ist vor allen Dingen auch das Technik- und Taktiktraining von der Corona-Krise beeinträchtigt. Anspruchsvolle technische Bewegungselemente finden sich insbesondere in technisch-kompositorischen Sportarten, wie zum Beispiel dem Turnen. Ohne Zugang zu den Hallen und den entsprechenden Geräten ist es zwar möglich, die Fitness über einen gewissen Zeitraum zu erhalten, die Bewegungsqualität wird jedoch bei der Ausführung hoch anspruchsvoller technischer Elemente leiden. Kurzfristig kann sogenanntes ideomotorisches Training für Abhilfe sorgen. Dabei werden komplexe Bewegungsabläufe gedanklich durchgespielt, in dem sich der Athlet in die konkrete sportliche Situation hineinversetzt. Aus neurophysiologischen Arbeiten ist bekannt, dass neuronale Netzwerke im Gehirn aktiviert werden, die auch beim konkreten Bewegungsvollzug erkennbar sind. Diese Form des Trainings wird zum Beispiel während der Rekonvaleszenz von Sportverletzungen eingesetzt. Das kann über eine gewisse Zeit hinweg unterstützend durchgeführt werden, ersetzt aber auf Dauer nicht das Training am Gerät. In Bezug auf das Taktiktraining besteht die Problematik darin, dass aktuell nur in Kleingruppen, nicht aber im Mannschaftsverbund trainiert werden kann. Das in Mannschaftssportarten so wichtige mannschaftstaktische Verhalten kann somit nicht auf dem Platz trainiert werden. Ebenso bedeutsam für viele Teamsportarten ist das Zweikampfverhalten, das für die Balleroberung, aber auch die Verletzungsvermeidung bedeutsam ist.
Haben Trainer für Phasen, wo Trainingspläne unterbrochen werden müssen, einen Plan in der Schublade oder fangen jetzt alle hektisch an, umzuplanen?
Das Trainingsjahr ist durch unterschiedliche Trainingsperioden gekennzeichnet, die in Abhängigkeit der Anzahl von Wettkämpfen bzw. Saisonhöhepunkten ein-, zwei- oder gar dreimal durchlaufen werden. Hintergrund dieser Trainingsplanung ist, dass sportliche Höchstleistungen nur über einen kurzen Zeitraum hinweg erbracht werden können. Entsprechend wird das Trainingsjahr in allgemeine und spezifische Vorbereitungs-, Wettkampf- und Übergangsperioden eingeteilt. Während der Übergangsperioden wird ganz bewusst die Form abgebaut, um sie nachfolgend wieder neu zu entwickeln. Für diese Übergangsperioden haben die Trainer normalerweise Heimtrainingspläne erarbeitet, um eine Minimaldosis an Training zu gewährleisten. Die Trainer sind also gut vorbereitet und sollten nicht in Hektik verfallen.
Sie sind Trainingswissenschaftler, haben Verbände unterschiedlichster Disziplinen betreut und tun es noch. Ist die Forschung in der gegenwärtigen Situation gefragt – und auch in der Lage zu helfen?
Von der jetzigen Situation mit Kontaktverbot ist natürlich auch ganz stark die sportwissenschaftliche Forschung betroffen. Im Leistungs- und Spitzensport führen wir sehr häufig feldbasierte Messungen mit Athletengruppen durch, um den zeitlichen Aufwand für Athleten und Trainer möglichst gering zu halten. Diese Formen der Leistungsüberprüfung sind aktuell nicht möglich. Auch sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch von kontrollierten Laborexperimenten ab. Dabei ließen sich zwar Hygienestandards und Sicherheitsabstände besser einhalten, allerdings bliebe ein Restrisiko bestehen. Ein verlässlicher und schnell durchführbarer Antikörpernachweis wäre für die Forschung im Sport, aber auch das Training sehr hilfreich, um Athleten zu identifizieren, die immunisiert sind.
Aktuell können wir Forschung zum Beispiel über systematische Literaturanalysen realisieren. Dabei werden bereits publizierte Originalarbeiten zu einem eingegrenzten Themengebiet ausgewertet und die Ergebnisse meta-analytisch aggregiert. Hierbei sind wir aktuell sehr rege, um die Zeit zu überbrücken, in der wir keine neuen Daten erheben können. In Bezug auf die Covid-19-Situation schauen wir uns die vorhandene Evidenz zu den Wirkungen von heimbasiertem Training bei unterschiedlichen Zielgruppen an, um daraus konkrete Ableitungen für das Training zu Hause zu treffen.
Durch die Verschiebung der Olympischen Spiele sind zumindest alle, die darauf hingearbeitet hatten, aus der quälenden Warteschleife „entlassen“. Aber wie können sie jetzt sinnvoll weitertrainieren?
Das ist in der Tat ein großes Problem, da der bereits angesprochene Zielwettkampf für die Trainingsplanung und -steuerung fehlt. Wann es mit Wettkämpfen weitergehen wird, ist derzeit unklar. Das erschwert die Trainingsplanung erheblich. Viele Spitzenathleten sind nach der Entscheidung zur Verschiebung der Olympischen Spiele in 2021 aus der unmittelbaren Olympiavorbereitung herausgegangen und führen jetzt wieder vermehrt grundlagenorientiertes Training durch. Dies gilt insbesondere für ausdauerdominierte Sportarten, bei denen ein Großteil des Trainings individuell oder unter Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsabstände im Freien stattfinden kann. Dadurch lässt sich die Zeit, bis ein neuer Wettkampfkalender steht, sinnvoll überbrücken.
Fitnessstudios, Sportanlagen und andere Trainingseinrichtungen sind geschlossen bzw. gesperrt. Allenfalls Joggen und Radfahren sind – allein – noch erlaubt. Wie halten sich Freizeitsportler jetzt am besten fit?
Glücklicherweise haben viele Fitnessstudios auf Online-Angebote umgestellt. Darüber hinaus gibt es auch frei zugängliche, nach Zielgruppen geordnete Online-Angebote. Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin (DGSP) liefert hier eine schöne Angebotsübersicht. Entsprechend sollte für jeden etwas dabei sein.
Wer gerne selber tätig werden möchte, kann auch ein Krafttraining in den eigenen vier Wänden durchführen. 10 bis 15 Minuten pro Tag sind bereits effektiv. Übungen mit Kleinmaterialien, wie zum Beispiel Pezzi-Bällen oder Thera-Bändern, oder einfach nur mit der eigenen Körpermasse lassen sich in jedem Wohnzimmer umsetzen. Zur Kräftigung der Bauchmuskulatur und zur Ganzkörperstabilisation kann beispielsweise eine Übung im Unterarmstütz durchgeführt werden. Regelmäßiges Seilspringen liefert einen trainingswirksamen Reiz für das Herz-Kreislauf-System und die Skelettmuskulatur.
Eine Gruppe, die bei solchen Diskussionen schnell vergessen wird, sind Kinder. Ihr Bewegungsdrang braucht jetzt natürlich ganz besondere Beachtung. Was können Eltern mit ihren Kindern tun?
Gerade für Kinder ist Bewegung ganz wichtig, sowohl für die motorische als auch die kognitive Entwicklung. Ohne Sportunterricht geht ein wichtiger Bestandteil der wöchentlichen körperlichen Aktivitätszeit verloren. Eltern sollten daher – am besten fest in den Tagesablauf verankert – ein Bewegungsprogramm mit ihren Kindern durchführen.
An der Professur für Trainings- und Bewegungswissenschaft der Universität Potsdam haben wir ein solches Programm zusammen mit unseren Partnern der AOK Nordost, dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg sowie dem Landessportbund Brandenburg erarbeitet. Es handelt sich dabei um das Programm mit dem Titel „Henriettas bewegte Schule“. Die Wirkungen des Programms wurden in der sogenannten SMaRTER Studie evaluiert.
Über Youtube werden täglich neue Übungen für Kinder bereitgestellt und am Ende einer Woche in Form eines Wochenüberblicks präsentiert. Dieses Programm kann einen kleinen Beitrag für mehr Bewegung im Alltag von Kindern und Eltern in der Corona Krise leisten.
Zum Programm „Henriettas bewegte Schule“
https://www.youtube.com/watch?v=zoy_rCYgWmI
https://www.youtube.com/user/AOKNordost/videos
https://www.youtube.com/watch?v=CvHe8Z2eDIo
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