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Wenn Zwänge den Alltag beherrschen – Franziska Kühne hilft bei Zwangserkrankungen

Aus Angst vor Schmutz und Krankheitserregern waschen sich Menschen mit einem Reinigungszwang häufig die Hände. Foto: hiroshiteshigawara/fotolia.com
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Aus Angst vor Schmutz und Krankheitserregern waschen sich Menschen mit einem Reinigungszwang häufig die Hände. Foto: hiroshiteshigawara/fotolia.com

Wer kennt das nicht: Man verlässt die Wohnung und fragt sich schon vor der Tür: Habe ich die Fenster zugemacht, die Tür abgeschlossen, den Herd ausgeschaltet? Vielleicht geht man noch einmal zurück und sieht nach. Aber was, wenn das eine Mal nicht genügt, wenn man die Gedanken an ein mögliches Versäumnis nicht wieder loswird? Oder wenn die penibel geputzte Wohnung noch immer nicht sauber erscheint? Bei den Betroffenen kreisen die stets gleichen Fragen im Kopf herum und erzwingen unnötige, sich wiederholende Handlungen. Knapp drei Prozent der Bevölkerung leiden unter solchen Zwängen. Die psychische Erkrankung gilt noch immer als schwer behandelbar und nur wenige spezialisierte Einrichtungen beschäftigen sich bisher mit Therapiemöglichkeiten.

Seit Herbst 2018 bietet die Psychologisch- Psychotherapeutische Ambulanz (PPA) Betroffenen Hilfe an. Dr. Franziska Kühne betreut den Schwerpunkt. Die psychologische Psychotherapeutin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Florian Weck, der die Ambulanz leitet. Die Einrichtung hat mit der Behandlung von Krankheitsängsten bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Davon ausgehend haben die Psychologinnen und Psychologen ein Behandlungsmanual entwickelt, das speziell auf die Therapie von Zwangsstörungen zugeschnitten ist. Alle Therapeuten wurden in einem Workshop geschult. Gemeinsam besprechen sie Krankheitsfälle, werten Verläufe aus und evaluieren das Konzept.

Schmutz, Krankheiten oder Symmetrie – um solche Themen kreisen die Gedanken vieler Betroffenen. Frauen leiden eher unter Wasch- oder Reinigungszwängen, Männer unter Kontroll- und Ordnungszwängen. Von einer Zwangserkrankung spricht man, wenn es Betroffenen nicht mehr gelingt, den Kreislauf von negativen, beunruhigenden Gedanken und den dann folgenden zwanghaften Handlungen, die das Problem vermeintlich lösen und die Situation kontrollierbar machen sollen, zu durchbrechen. Die alltäglichsten Dinge werden zum Problem, wenn die Betroffenen Termine nicht mehr einhalten, familiäre Pflichten vernachlässigen oder Arbeitsaufgaben nicht mehr bewältigen können. Bei den Patienten entsteht ein hoher Leidensdruck und Angehörige sind oft hilflos.

Die Psychotherapie an der PPA basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, die sich in wissenschaftlichen Studien als wirksamstes Verfahren zur Behandlung von Zwängen erwiesen hat. Zunächst stellt der Therapeut in Gesprächen eine ausführliche Diagnose, dann gibt er ausgeeine Behandlungsempfehlung. Das kann eine ambulante Therapie in der Einrichtung selbst sein, aber auch Selbsthilfegruppen, Beratungen oder eine stationäre Behandlung können folgen. Ziel der Psychotherapie in der PPA ist es, den Patienten Mittel an die Hand zu geben, die es ihnen erlauben, anders mit den für sie schwierigen Situationen umzugehen als bisher. Mit viel Ausdauer und Übung lernen sie ihre Zwänge und Ängste aktiv zu bewältigen, die ständigen Befürchtungen zu entkräften, mit Unsicherheiten offener umzugehen, mehr Entscheidungsfreiheit zu erlangen. Gemeinsam mit den Therapeuten werden neue Fertigkeiten und Verhaltensweisen besprochen und erprobt. Wichtig ist es, die Patientinnen und Patienten zu befähigen, das Gelernte in den Alltag zu integrieren.

Eine wirksame Kurzzeit-Therapie dauert durchschnittlich ca. 24 Stunden, die Kosten übernehmen die Krankenkassen in der Regel. Hält der Therapeut eine Weiterbehandlung für sinnvoll, muss diese bei der Krankenkasse beantragt und die Notwendigkeit von einem Gutachter positiv beschieden werden.

Obwohl sich die Behandlungsmöglichkeiten für Zwangsstörungen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben, möchte Franziska Kühne von „Heilung“ nicht sprechen. „Das ist ein schwieriges Wort für Psychologen und eine gewisse Gefahr, dass Symptome wieder auftauchen, besteht oft.“ Umso wichtiger sei es zu erkennen: Was sind Risikosituationen für mich? Was sind Auslöser? Die Patienten sollen nach Abschluss der Therapie in der Lage zu sein, mit kritischen Situationen besser umzugehen und nicht sofort in alte Verhaltensmuster zu fallen.

Kontakt zur Psychologisch-Psychotherapeutischen Ambulanz der Universität Potsdam:
E-Mail: ambulanzuni-potsdamde
Tel.: (0331) 2434 2351 (täglich von 9.00–11.00 Uhr)
Außerhalb dieser Zeit ist ein Anrufbeantworter geschaltet und Sie werden zurückgerufen.

Text: Ulrike Szameitat
Online gestellt: Silvana Seppä
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde