Gerade den Kinderschuhen entwachsen und schon zu dick. Leider ist dies keine Seltenheit. Krankhaftes Übergewicht schon im frühen Alter stellt ein wachsendes Problem dar. Der Leidensdruck der Betroffenen ist groß, die Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg oft gar nicht abzuschätzen. Neben den persönlichen Konsequenzen belasten Krankheit und Erwerbsausfall die Gesellschaft jährlich mit Millionen. Vor diesem Hintergrund entstand im Bereich Beratungspsychologie das Forschungsprojekt YOUTH, das die Entwicklung und Evaluation eines Schulungsprogramms für adipöse Jugendliche und junge Erwachsene zum Gegenstand hat und von Prof. Dr. Petra Warschburger geleitet wird. Das Projekt zielt darauf ab, die Lebensqualität der Teilnehmenden zu erhöhen und sie zu befähigen, ihr Körpergewicht selbst in den Griff zu bekommen.
Im Mittelpunkt des Programms stehen Jungendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren. Es sind Patienten, die unter starkem Übergewicht leiden. Ihnen drohen in der Regel schwerwiegende Folgerkrankungen. Die Liste der infrage kommenden Beschwerden ist lang. Neben physischen gehören psychische Probleme dazu. Bisher gibt es für diese spezielle Altersgruppe keine wissenschaftlich fundierten Beratungs- und Therapieangebote. Das Forschungsprojekt der Potsdamer Psychologen wäre das erste. Bei dem Vorhaben handelt es sich um ein Patientenschulungsprogramm, das Wünsche und Bedürfnisse der Jugendlichen berücksichtigt und die spezifischen Probleme der Zielgruppe einbezieht. Falsche Schönheitsideale, der Umgang mit Alkohol und Drogen, extreme Diäten sowie geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten stellen wichtige Themen dar. Besonderes Augenmerk wird auf Betroffene aus sozial benachteiligten Schichten gelegt. Das Schulungsprogramm besteht aus neun Sitzungen. Grundlage für dessen Entwicklung war eine Bedarfsanalyse. Die Forschungsgruppe wertete Erfahrungen aus anderen Projekten aus, durchforstete entsprechende Literatur. Zudem wurden Interviews mit Jugendlichen geführt, um herauszufinden, wie Jugendliche mit extremem Übergewicht langfristig abnehmen und dem Jo-Jo-Effekt erfolgreich vorbeugen sollten. „Einfach ist das nicht“, weiß auch Petra Warschburger. „Man muss die Jugendlichen motivieren, ihr Verhalten aus eigenem Willen zu verändern.“ In 90-minütigen Sitzungen wird hierfür gemeinsam mit den Probanden eine Strategie erarbeitet, dabei auch nicht verschwiegen, dass ihnen ein durchaus schwerer Weg bevorsteht. Die Wissenschaftler müssen zunächst wichtige Aufklärungsarbeit leisten. „Die jungen Erwachsenen wissen oft gar nicht, welche gesundheitlichen Risiken Adipositas in sich birgt“, so Petra Warschburger. „Eine komplette Umstellung der Ernährung und des Essverhaltens wollen gelernt und umgesetzt sein.“ Schon beim Einkaufen der Lebensmittel könnten Fehler unterlaufen, auch dazu würden die Teilnehmer geschult. Absolut entscheidend für den Erfolg sei es, sich realistische Ziele zu setzen. „Schon fünf Prozent Gewichtsreduktion können bei stark übergewichtigen Patienten eine echte Herausforderung sein“, erläutert die Projektleiterin. Hilfreich sei das Führen eines Tagebuchs, in dem die Patienten den Weg zum selbstgesteckten Ziel dokumentieren.
Das Programm arbeitet viel mit medialen Hilfsmitteln. So gibt es beispielsweise eine App fürs Smartphone, um die Ernährung zu protokollieren. Spiele und Rollenspiele unterstützen den Lernprozess. Die Betroffenen erfahren, dass sie nicht nur ihr Ess-, sondern auch ihr Bewegungsverhalten verändern müssen.
Auch der Stärkung des Selbstwertgefühls kommt wichtige Bedeutung zu. Dass sich Persönlichkeit nicht über Körpergewicht definiert, dies ist für so manchen Teilnehmer nicht selbstverständlich.
Das Schulungsprogramm begleitet die Jugendlichen dabei, in der klinischen Rehabilitation Erlerntes im Alltag auf Dauer eigenverantwortlich umzusetzen. Dabei rückt das häusliche Umfeld verstärkt in den Vordergrund. Eltern und Geschwister werden zu wichtigen Helfern beim Abnehmen.
Sechs Monate nach Ende der Schulung kontrollieren die Wissenschaftler das Ergebnis. „Erfahrungsgemäß ist das bis dahin sehr gut“, so Petra Warschburger. „Ziel ist aber die langfristige Gewichtsreduktion,- und das wird oft in den darauffolgenden Monaten schwieriger.“ Eine zweite Untersuchung, die nach einem Jahr stattfindet, bestätigt dies in der Regel. Grund genug für die Forschungsgruppe, weiter am Thema dranzubleiben.
Text: Ulrike Szameitat, Online gestellt: Agnes Bressa