Inklusiver Führungskräftekompass
Inklusion ist ein zentraler Bestandteil unseres Arbeitsumfelds an der Universität Potsdam. Wir verstehen Inklusion als eine Aufgabe, die sowohl in der Lehre als auch in der Führungspraxis gelebt werden muss. Der Inklusive Führungskräftekompass bietet eine praxisnahe Orientierungshilfe für Führungskräfte und Lehrpersonal, um eine gleichberechtigte Teilhabe aller Mitarbeitenden zu ermöglichen und ein respektvolles, unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Auf dieser Seite finden Sie nützliche Hinweise und Werkzeuge, um Ihre Führungsaufgaben inklusiv zu gestalten.
1. Überblick Beeinträchtigungen
Inklusion umfasst nicht nur offensichtliche Behinderungen. Viele Barrieren und Bedürfnisse sind nicht sofort sichtbar. In einem inklusiven Arbeitsumfeld sollten alle Aspekte von Diversität anerkannt werden:
- Sichtbare Behinderungen: Diese beinhalten vorwiegend körperliche Einschränkungen, wie etwa Mobilitätsbehinderungen oder Seh- und Hörbehinderungen.
- Nicht-sichtbare Behinderungen: Diese sind oft nicht unmittelbar erkennbar, wie chronische Erkrankungen (z.B. Diabetes, Multiple Sklerose) oder psychische Erkrankungen (z.B. Depressionen, Angststörungen).
- Neurodiversität: Dazu gehören neurologische Unterschiede wie Autismus, ADHS oder Dyslexie. Menschen mit neurodiversen Eigenschaften haben oft besondere Stärken, benötigen aber auch spezifische Unterstützung im Arbeitsalltag.
Verteilung in der Bevölkerung
- In Deutschland leben etwa 10,4 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung, das entspricht etwa 12,5 % der Bevölkerung.
- Von diesen haben etwa 7,8 Millionen Menschen eine Schwerbehinderung (Grad der Behinderung von 50 oder mehr).
- Chronische Erkrankungen betreffen etwa 40-50 % der deutschen Bevölkerung, wobei nicht alle Menschen mit chronischen Erkrankungen als behindert gelten.
- Psychische Erkrankungen nehmen weltweit zu, und es wird geschätzt, dass 18 % der Bevölkerung jährlich an einer psychischen Erkrankung leidet.
- Neurodiversität wird bei etwa 15-20 %[1] der Bevölkerung geschätzt, darunter insbesondere Autismus, ADHS und Lernstörungen.
Diese Zahlen zeigen, wie weit verbreitet unsichtbare Barrieren und Bedürfnisse sind – und wie wichtig es ist, auch diese in einer inklusiven Führung zu berücksichtigen.
[1] National Autistic Society (für Autismus), American Psychiatric Association (für ADHS)
2. Vorteile und Vorbehalte inklusiver Führung
Inklusive Führung bringt zahlreiche Vorteile mit sich, nicht nur für die betroffenen Mitarbeitenden, sondern für das gesamte Team und die Organisation:
- Mehr Innovationskraft: Teams, die divers zusammengesetzt sind, bringen verschiedene Perspektiven ein. Dies führt zu kreativeren Lösungen und einer größeren Innovationsfähigkeit.
- Stärkere Mitarbeiterbindung: Mitarbeitende fühlen sich wertgeschätzt und unterstützt, wenn ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Dies erhöht die Zufriedenheit und senkt die Fluktuation.
- Image und gesellschaftliche Verantwortung: Ein inklusiver Führungsstil stärkt das Image der Universität Potsdam als fortschrittliche und verantwortungsvolle Arbeitgeberin. Inklusion ist zudem ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Teilhabe.
- Gesundheit und Wohlbefinden: Ein inklusives Arbeitsumfeld trägt zur mentalen und physischen Gesundheit aller Mitarbeitenden bei, da Stress und Diskriminierung reduziert werden.
Typische Bedenken und Vorbehalte
Trotz der vielen Vorteile gibt es oft Bedenken, wenn es um inklusive Führung geht:
- "Es kostet zu viel Zeit und Geld": Inklusion erfordert anfangs möglicherweise zusätzliche Ressourcen, aber auf lange Sicht zahlt sie sich durch höhere Effizienz, geringeren Krankenstand und stärkere Bindung ans Unternehmen aus.
- "Wie kann ich alle Bedürfnisse berücksichtigen?": Es gibt den Irrglauben, dass eine inklusive Führungskraft alle Bedürfnisse immer vollständig erfüllen muss. Wichtiger ist es jedoch, einen Dialog zu schaffen, in dem Lösungen gemeinsam entwickelt werden.
- "Inklusion führt zu Leistungseinbußen": Studien[1] zeigen, dass inklusive Teams häufig produktiver und kreativer sind. Eine faire Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten sorgt dafür, dass jeder nach seinen Stärken arbeiten kann.
[1] Accenture (2018): „Getting to Equal: The Disability Inclusion Advantage“; Deloitte (2017): „The Diversity and Inclusion Revolution: Eight Powerful Truths“; Harvard Business Review (2018): „The Other Diversity Dividend”; McKinsey & Company (2020): „Diversity Wins: How Inclusion Matters“
3. Textbausteine für inklusive Stellenausschreibungen
Eine inklusive Stellenausschreibung ist der erste Schritt, um Barrieren abzubauen und Diversität zu fördern. Sie sollte möglichst alle Menschen ansprechen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung oder sonstigen persönlichen Merkmalen. Wir stellen Ihnen Vorlagen und Textbausteine zur Verfügung, die Ihnen helfen, die Sprache in Ihren Stellenausschreibungen bewusst inklusiv zu gestalten:
- Geschlechtsneutrale Formulierungen: Nutzen Sie Formulierungen wie „(m/w/d)“ oder vermeiden Sie geschlechtsspezifische Begriffe, indem Sie z.B. „Leitung des Teams“ statt „Teamleiter“ verwenden.
- Betonung der Diversität: Fügen Sie Sätze ein wie „Wir begrüßen Bewerbungen von Menschen aller Hintergründe, unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer Herkunft, Behinderung oder Alter.“
- Barrierefreiheit: Weisen Sie darauf hin, dass Ihre Organisation barrierefreie Arbeitsplätze anbietet: „Wir setzen uns für eine barrierefreie Arbeitsumgebung ein und freuen uns auf Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen.“
- Inklusionsfördernde Zusatzleistungen: Erwähnen Sie unterstützende Programme wie „Budget für Arbeit“ (siehe unten) oder flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und privaten Bedürfnissen.
4. Einstellung oder Ausfall einer schwerbehinderten Person
Menschen mit Schwerbehinderung verdienen besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung am Arbeitsplatz. So kann bei der Einstellung einer Person mit Schwerbehinderung eine Prüfung der Möglichkeit des Budgets für Arbeit erfolgen. Auch sollte eine schwerbehinderte Person im Team aufgrund von Krankheit oder anderen Gründen längere Zeit ausfallen, gibt es finanzielle Förderungen, die helfen können, diesen Ausfall zu kompensieren. Hierbei kommt das Budget für Arbeit auch zum Tragen:
- Was ist das Budget für Arbeit?
Das Budget für Arbeit ist eine staatliche Förderung, die Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen dabei hilft, die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen zu sichern. Es kann eingesetzt werden, um Lohnkosten auszugleichen oder Unterstützung in Form von Arbeitsassistenz zu finanzieren.
- Wann kann es beantragt werden?
Das Budget für Arbeit kann beispielsweise bei Langzeiterkrankungen oder der Notwendigkeit von Umstrukturierungen im Arbeitsumfeld aufgrund einer Behinderung beantragt werden. Die Beantragung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt oder der Agentur für Arbeit.
- Zielsetzung
Das Ziel ist es, schwerbehinderte Mitarbeitende langfristig im Team zu halten und die entstandene Arbeitsbelastung gerecht zu verteilen. Durch diese Unterstützung können Arbeitgeber Inklusion nicht nur fördern, sondern auch aufrechterhalten.
5. Gewaltfreie Kommunikation bei Stresssituationen
Stress gehört in vielen Arbeitsbereichen zum Alltag, besonders in der Lehre und Führung. Um Eskalationen in Konfliktsituationen zu vermeiden, ist es wichtig, auf gewaltfreie Kommunikation (GFK) zu setzen. Sie bietet ein Werkzeug, das hilft, in stressigen Momenten wertschätzend und empathisch zu bleiben.
- Grundprinzipien der Gewaltfreien Kommunikation
Die GFK basiert auf vier Grundschritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Sie hilft, Situationen ohne Wertung zu beschreiben und die eigenen Gefühle und Bedürfnisse klar zu kommunizieren, ohne die andere Person anzugreifen. Dies fördert gegenseitiges Verständnis und lösungsorientierte Gespräche.
- Anwendung in stressigen Situationen
In Situationen hoher Anspannung können wir oft nicht so klar und respektvoll kommunizieren, wie wir es uns wünschen. Die GFK gibt uns ein Werkzeug an die Hand, um uns selbst und die Situation zu reflektieren. Zum Beispiel könnte eine Aussage wie „Sie hören mir nie zu!“ umformuliert werden zu „Wenn ich merke, dass ich unterbrochen werde, fühle ich mich frustriert, weil mir wichtig ist, dass meine Anliegen ernst genommen werden.“
6. Hinweise auf das SGB IX und Unterstützungsmöglichkeiten
Neben den gesetzlichen Vorgaben des SGB IX gibt es die Möglichkeit, Expert*innen wie den Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit hinzuzuziehen. Diese können bei der Gestaltung eines barrierefreien Arbeitsplatzes, bei der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen oder der Beratung zu gesundheitsfördernden Maßnahmen unterstützend tätig werden.
7. Digitale Barrierefreiheit
Es ist eine Herausforderung, eine barrierearme oder barrierefreie Digitalität zu erreichen, da viele unterschiedliche Bedürfnisse und technische Anforderungen berücksichtigt werden müssen. Doch gerade deshalb ist es umso wichtiger, sich diesen Herausforderungen zu stellen. In den folgenden Videos finden Sie wertvolle Hinweise und praxisnahe Tipps, die Ihnen dabei helfen können, Barrieren abzubauen und eine inklusive digitale Umgebung zu schaffen.
8. Inklusiv(er) Lehren
Weiterführende Informationen als Lehrende erhalten Sie bei Robert Meile.
Wir hoffen, dass Ihnen diese Informationen und Werkzeuge dabei helfen, Inklusion in Ihrem Arbeitsbereich zu fördern und zu verankern. Gemeinsam können wir die Universität Potsdam zu einem noch inklusiveren Arbeitsplatz machen.