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Forschungsstelle

'Interaktionale Linguistik' an der Universität Potsdam

Menschen in Interaktion
Foto: Hannah Altrichter

Über uns

Die Forschungsstelle koordiniert die Arbeiten im Rahmen der Interaktionalen Linguistik (IL) an der Universität Potsdam und dient als Ansprechpartnerin für nationale und internationale KooperationspartnerInnen. Hier arbeiten Forschende, Lehrende und Studierende zusammen, die einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in die interdisziplinäre Erforschung von Sprache in der Interaktion legen.

GAT 2 Transkript
Foto: GAT 2 Transkript (Selting et al. 2009: 394)

Was IL ist
IL ist ein junger empirischer Forschungsbereich an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Conversation Analysis. Sie betrachtet Kommunikation als ganzheitliches semiotisches Ereignis.

Was wir untersuchen
Analytisch liegt der Fokus auf der Beschreibung und Erklärung des komplexen Zusammenspiels von Phänomenen aus allen Teilgebieten der Linguistik für die Organisation der wiederkehrenden Aufgaben der sozialen Interaktion. Phonetik, Phonologie, Prosodie, Morphologie, Lexik, Syntax, Semantik und Pragmatik, sowie ihre Beziehung zu anderen semiotischen Systemen, wie Gestik, Mimik und Proxemik, werden in ihrer Verwendung für die Herstellung von Interaktionssequenzen und sozialen Handlungen beschrieben.

Neben Fallanalysen in Einzelsprachen wie Deutsch und Englisch rücken zunehmend auch sprachübergreifende, diachrone und anwendungsorientierte Aspekte ins Blickfeld. Als Untersuchungsmaterial hierfür dienen Ton- und Videoaufnahmen  authentischer Gespräche.

GAT 2 Transkript
Foto: GAT 2 Transkript (Selting et al. 2009: 394)
Analyse von Segment 02 des Ausschnitts in PRAAT
Foto: Analyse von Segment 02 des Ausschnitts in PRAAT

Wovon wir ausgehen
IL beschreibt und erklärt vornehmlich sprachliche Phänomene, die TeilnehmerInnen nutzen, um in der sozialen Interaktion zu handeln. Sprachliche Muster und Praktiken werden dabei als Phänomene verstanden, die durch ihren lokalen interaktionalen Gebrauch hervorgebracht werden, gleichzeitig prägen die Ressourcen selbst aber auch die soziale Interaktion. Individuelles sprachliches Handeln wird dabei stets als auf Interaktion hin angelegt beschrieben und soziale Realität als von den InteraktionsteilnehmerInnen gemeinsam hergestellt aufgefasst.

Wie wir vorgehen

IL betrachtet Kommunikation als ganzheitliches, semiotisches, zeitliches und soziales Ereignis in seinem alltäglichen und institutionellen Kontext. Sie möchte damit die durch die TeilnehmerInnen hergestellte soziale und kommunikative Realität rekonstruieren und die Praktiken und Ressourcen erforschen, mit denen diese wiederkehrende kommunikative Aufgaben (z.B. Sprecherwechsel, Reparatur, Sequenzorganisation, Themenorganisation, Herstellung von Handlungen, Aktivitäten und Gattungen etc.) bewältigen. Dabei geht die IL entweder von einer interaktionalen Aufgabe aus (z.B. Sprecherwechsel, Reparatur, Handlungsherstellung und -koordination) und sucht nach den dafür verwendeten sprachlichen Ressourcen oder sie betrachtet eine sprachliche Struktur (z.B. Sätze, Nominalphrasen, Partikeln wie jaja)  und sucht nach den Aufgaben, die mit ihr realisiert werden.

Wo wir anknüpfen
Als Mitte der 1990er Jahre etabliertes Gebiet basiert die IL vornehmlich auf Annahmen und Methoden der Ethnomethodologie und der Conversation Analysis. So nutzt sie z.B. detaillierte Einzelfallanalysen des kommunikativen Verhaltens der TeilnehmerInnen im spezifischen sequentiellen Kontext, einschließlich abweichender Fälle (deviant cases), um Teilnehmerkategorien, Ressourcen, normative Teilnehmererwartungen und -orientierungen als Basis der Herstellung und Interpretation sozialer Interaktion induktiv zu erschließen.

Worauf wir hinauswollen
Diese Perspektive auf Sprache in der sozialen Interaktion soll zu neuen Erkenntnissen sowohl bzgl. einzelner linguistischer Kategorien und Konzepte als auch zu einer allgemeinen Theorie der Sprache in der sozialen Interaktion führen. Weiterhin soll sie u.a. zur Entwicklung realistischer Grammatiken, leistungsfähigerer Sprachanalyse und -synthesesysteme sowie verbesserter Sprachlehrmaterialien beitragen.

Analyse von Segment 02 des Ausschnitts in PRAAT
Foto: Analyse von Segment 02 des Ausschnitts in PRAAT


Weiterführende Literatur

  • Barth-Weingarten, Dagmar (2008). Interactional Linguistics. In: Antos, Gerd, Elija Ventola & Tilo Weber (Hrsg.): Handbook of Applied Linguistics. Band 2: Interpersonal Communication. Berlin, New York: De Gruyter, 77-105.
  • Couper-Kuhlen, Elizabeth & Margret Selting (Hrsg.) (1996). Prosody in Conversation. Interactional Studies. Cambridge: Cambridge UP.
  • Couper-Kuhlen, Elizabeth & Margret Selting (2018). Interactional Linguistics: Studying language in social interaction. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Lindström, Jan (2006). Interactional Linguistics. In: Östman, Jan-Ola & Jef Verschueren (Hrsg.): Handbook of Pragmatics. Amsterdam: Benjamins.
  • Selting, Margret & Elizabeth Couper-Kuhlen (2000). Argumente für die Entwicklung einer interaktionalen Linguistik. In: Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 1/2000, 76-95 <http://gespraechsforschung-online.de/heft2000/ga-selting.pdf>.
  • Selting, Margret & Elizabeth Couper-Kuhlen (2001). Forschungsprogramm 'Interaktionale Linguistik'. Linguistische Berichte 187/2001, 257-287.
  • Selting, Margret & Elizabeth Couper-Kuhlen (Hrsg.) (2001). Studies in Interactional Linguistics. Amsterdam: Benjamins.